Laatsch – Imst

Obwohl uns heute ein weiterer Pass bevorstand, starteten wir nicht allzu früh. Der Reschenpass liegt bei weitem nicht so hoch wie das Stilfserjoch.

Kühe auf dem Weg
Kühe auf dem Weg

Wir wussten, dass gerade im Anfangsbereich der Auffahrt auf dem Radweg einige steile Passagen dabei sein würden, aber dass wir quasi direkt nach ein paar hundert Metern, sofort nach dem Einbiegen auf den Radweg, mit Rampen von 15% und deutlich mehr konfrontiert werden würden, war uns so nicht bewusst gewesen.
Fast die gesamten Höhenmeter lagen auf den ersten paar Kilometern, erreicht man die Seen, gibt es nur noch ein sanftes auf und ab am Ufer bzw. über den eigentlichen Pass, der leider nicht gekennzeichnet ist, erst an der Grenze zu Österreich gibt es ein Schild an der Strasse, bereits diverse Meter niedriger als der “echte“ Pass auf dem Radweg.

Nach dem Pass geht es sanft hinab nach Nauders. Dort treffen wir auch einen anderen Liegeradler auf seinem Flux. Von Nauders geht es wieder ein wenig rauf zur Norbertshöhe, dann in Serpentinen wieder runter. Sofort fällt allerdings auf, dass die Radroute in Österreich nicht dieselbe Bedeutung hat wie in Italien: der Weg führt über Wirtschaftswege, teils über befahrene Landstraßen. Wenn diese einen Randstreifen für Radfahrer haben, ist er schmal und führt auch schon mal spontan im Gefälle auf schmale Bürgersteige.

Durch das Tal
Durch das Tal

Auch die gastronomische Infrastruktur am Radweg ist nicht so eng und optimal wie in Italien, so dass wir irgendwann den Kocher rausholen, um etwas zu essen. Es gibt schon Lokale, oft teure Hotels oder billige Döner-Pizza-Alles Läden von zweifelhafter Qualität. Was auch sofort negativ auffällt ist das im Gegensatz zu Deutschland oder auch Italien weniger strikte Nichtraucherschutzgesetz in Österreich.

Ausser einigen kleinen Anstiegen, eher Rampen, geht es im Wesentlichen bergab, wo der Weg gut ist, kommen wir schnell voran. Wir fahren bis nach Imst durch, denn das Wetter soll in den kommenden Tagen umschlagen und wir wollen auf jeden Fall den Fernpass mit seinen nicht asphaltierten Passagen schaffen, bevor uns Regen das Leben dort schwer macht.

Prad am Stilfserjoch – Laatsch

Den Morgen beginnen wir zeitig und als wir um 07:30 Uhr zum Frühstück gingen, waren die Taschen bereits gepackt. So konnten wir um ca. zwanzig nach acht abfahren. Als kleines Extra legten wir einen Umweg ein – über das Stilfserjoch, italienisch Stelvio.

Stilfserjoch - Stelvio
Stilfserjoch – Stelvio

Von der Unterkunft ging es direkt auf die Strasse zum Pass. Uns trennten etwa 24km und 1800 Höhenmeter von dort. Rechnerisch sind das irgendwo zwischen sieben und acht Prozent – im Schnitt. Zunächst zog sich die Strecke durch das schattige Tal, trotz Temperaturen um die 11°C am Morgen tat der leichte Anstieg von vielleicht 3%-5% seine Wirkung und uns wurde warm. Bald schon wurden 6% bis 7% daraus und es taten sich Blicke auf die umliegenden Berge auf.
Der Verkehr war mäßig, hinter Trafoi fast noch schwach. Erst mit fortschreitender Uhrzeit wurden es mehr Motorräder, Autos und Sportwagen. Gerade letztere zeichneten sich dadurch aus, genauso langsam wie jede Reisschüssel den Berg hoch zu fahren, das dafür aber unter ohrenbetäubendem Lärm. Ein Konzept, was sich mir nicht vollständig erschliesst. Neben vielen vernünftigen und oft sogar nett grüßenden Motorradfahrern, gab es natürlich auch wieder die unvermeidlichen Idioten, über die man bei der Lektüre über das Radfahren auf Alpenpässen häufig liest. Insgesamt nicht so ruhig, wie vor zwei Jahren in den Pyrenäen, aber weit weniger problematisch, als ich es befürchtet hatte, zumal nach tagelangem Fahren fernab vom motorisierten Verkehr.

Micha von oben
Micha von oben

Irgendwann begannen dann die Kehren. 48 sind es an der Zahl und von unten kommend zählt es rückwärts. Zunächst kommen zwei, dann zieht es sich am Berg langsam aufwärts, dann noch ein paar und schliesslich öffnet sich der Blick auf eine schier unendlich scheinende Zahl an Kehren bis zum Pass weit oben. Etwa neun Kilometer vor dem Pass wurde es dann langsam auch recht anstrengend zu fahren und so fragte ich Michael, ob es für ihn ok wäre, wenn ab dort bis oben jeder seinen eigenen Takt fährt und er stimmte zu.
Da ich eine bessere Übersetzung im unteren Bereich habe, vier Zähne mehr auf dem großen Ritzel, konnte ich auf den steileren Passagen schonender fahren und erreichte den Pass etwas vorher. Dort traf ich noch die zwei Radler vom netten Restaurantgespräch am Vorabend.

Passfoto!
Passfoto!

Micha wurde zusätzlich durch einen Motorradunfall (mit wohl nur leichten körperlichen Blessuren aber einem großen Schreck), den ich nur hinter mir mitbekam (und sah, dass Helfer vor Ort waren) und einen technischen Defekt einer anderen Radfahrerin, bei dessen Behebung er behilflich war aufgehalten. So hatte ich die Möglichkeit von der über dem Pass gelegenen Hütte Fotos zu schliessen, als er die letzten Kehren nahm.

Er wurde wie ich begeistert von Motorradfahrern und Radfahrern am Pass empfangen, dann gönnten wir uns auf der Hütte etwas zu essen und viel zu trinken. Die Hitze der letzten Kehren in der Mittagssonne verflog bei 13°C recht schnell und für die Abfahrt zogen wir uns ohnehin warm an.
Zurück ging es über den Umbrail und damit einige Kilometer durch die Schweiz. Solch eine Abfahrt mit vielen Spitzkehren ist immer ein guter Test für die Bremsen und die korrekte Beherrschung derselben – speziell mit einem beladenen Rad.

In Laatsch, zurück in Italien, gönnten wir uns ein Eis und besorgten uns eine Unterkunft, den Reschenpass am gleichen Tag wollten wir nicht noch mitnehmen.

Burgstall (Postal) – Prad am Stilfserjoch

Der Morgen begann mit einem netten Frühstück. Die Betreiberin der Pension, eine ältere Dame mit ihrer noch älteren Mutter, erzählte auf Nachfrage einiges über dad Leben in der Region, Sprache und Kultur, aber auch zu den vielen Obstfeldern. Am Ende bekamen wir sogar leckere Äpfel aus dem Garten mit.

Meran
Meran

Es war nicht weit zum Radweg, auf diesem ging es dann nach Meran hinein. Neben dem Aufstocken der Bargeldreserven schauten wir uns ein wenig in der Stadt um und tranken noch einen Latte Macchiato. Dann ging es wieder zurück auf die Piste. Kurz hinter Meran geht es zunächst einmal kräftig aufwärts. In sieben Spitzkehren windet sich der Radweg diverse Höhenmeter nach oben.
Anschliessend folgt der Weg im Wesentlichen wieder der Etsch, nebenher läuft auch eine Bahnstrecke. Es geht also nur noch mäßig aufwärts, ein paar kleine und eine lang gezogene Steigung sind aber zu überwinden. Noch immer kamen uns große Gruppen von Radtouristen entgegen. Immer wieder eine fahrerische Herausforderung auf dem teils schmalen oder kurvigen Weg.

Micha in der Steigung
Micha in der Steigung

Zwischendurch versorgten wir uns an der gastronomischen Infrastruktur am Radweg, die wirklich beeindruckend ist. Ebenso wie die wunderschöne Landschaft, die man abseits des Autoverkehrs hier perfekt geniessen kann.

Am Nachmittag erreichten wir Prad am Stilfserjoch, wo wir eine Unterkunft gebucht hatten. Hier geht es im Vinschgau zur einen Seite nach Meran, wo wir herkamen, zur anderen Seite geht es zum Reschenpass, den wir auf dem Weg nach Norden auch bezwingen müssen. Und zur dritten Seite zweigt ein Tal ab in Richtung Schweiz, dort geht es zum Stilfserjoch, einer der imposanten Alpenpässe – und mit 2757 Metern auch recht hoch.
Abends gingen wir noch im Ort essen, dort trafen wir weitere Radler, die mit Gepäck auch mal aufwärts fahren. Es gab eine nette Unterhaltung.

Nago-Torbole – Burgstall (Postal)

Beim Frühstück entschieden wir, nicht direkt das Tal von Torbole nach Trento zu fahren, sondern den Weg zurück nach Mori zu nehmen, den wir auch gekommen waren. Der Grund ist simpel: laut Karte (wir hatten keinen Track vorbereitet) ist einiges an Strasse zu fahren – und am Sonntag ist hier ein ziemlicher Verkehr.

Endlose Täler
Endlose Täler

Die paar Kilometer zum Abzweig zurück nach Mori vergehen wie im Flug, es geht oft bergab. Irgendwo folgen wir sogar ein paar Rennradlern mit entsprechender Geschwindigkeit. Auf dem Weg in Richtung Rovereto wird es dann voller: es sind Tagesausflügler, Reiseradler, Rennradler, Mountainbiker und ganze Rentnergruppen unterwegs. Die meisten kommen uns entgegen, der Weg aus den Bergen ins Tal ist irgendwie beliebter. Ausser bei Rennradlern.
Da hier der Radweg fernab von Strassen in hervorragender Qualität aber nahezu flach verläuft, geht es durch weite Obstplantagen schnell voran. Erwähnt werden muss die hervorragende Infrastruktur: es gibt einfache Rastplätze mit Bank und Mülleimer, es gibt welche mit Tisch und Wetterschutz und sogar einige mit Trinkwasser-Hahn. Ausserdem gibt es direkt am Radweg (ohne sonstigen Zugang, also komplett auf Radfahrer ausgerichtet) diverse kleine Gaststätten mit der Möglichkeit zu trinken, zu Essen, Gels zu erwerben … und auf’s Klo zu gehen.

Wir nähern uns schon bald Bozen. Da sich aber der Himmel zuzieht und aufgrund der ungewöhnlich warmen Witterung gegen Nachmittag immer wieder Gewitter entstehen, lassen wir die Stadt rechts liegen und fahren weiter nach Norden. Bald holt uns, noch bei schönstem Sonnenschein, der erste Regen ein. Es tröpfelt aber nur, unterstellen oder Regenkleidung lohnen nicht. Bei 28-30 km/h Wird die Kleidung auch nicht besser als durch das Schwitzen bei 31°C ohnehin.

Regen zieht durch die Berge
Regen zieht durch die Berge

Bei jeder Pause gibt es immer wieder Interessierte, die unsere Liegeräder genau inspizieren. Gerade meines mit der Solarzelle erregt immer wieder die Aufmerksamkeit. Viele vermuten einen Elektroantrieb, wofür eine Solarzelle dieser Größe natürlich nicht im geringsten reichen würde. Dass wir uns mit Solarzelle und Dynamo aber komplett selbst mit Strom versorgen für Navi, Handy, Kamera, Tablet und Licht, erstaunt viele dann doch.

Am Nachmittag nähern wir uns Meran. Wir haben die Gegend um Meran als Tagesziel festgelegt, weil es von Zeit und Kilometern gut in die heutigen und weiteren Pläne passt. Während wir noch mit ein paar Sonnenstrahlen bedacht werden, ziehen über die Berge erste Gewitter. Wir entscheiden einige Kilometer vor Meran auf gut Glück in Burgstall (italienisch: Postal) eine Unterkunft zu suchen und werden auch gleich passend fündig. Kurz nach dem Einchecken bricht draussen das Gewitter mit starkem Regen los. Glück gehabt! Natürlich nicht nur, mit einiger Erfahrung auf Tour kriegt man einen Blick dafür, wann es besser ist, sich ein sicheres Plätzchen zu suchen. Das Regenradar hilft: den Bergen nur bedingt: es zeigt, wann sich die Gewitter anfangen zu bilden, aber wann und ob sie über den Berg von einem Tal ins nächste schwappen, ist kaum zu sehen. Da hilft nur selbst schauen – mit entsprechend kurzer Vorwarnzeit.
Den Pool nutze ich auf Grund des Wetters nicht, aber nachdem der Regen vorbei ist machen wir einen Spaziergang zum Restaurant, der Hunger nagt nach solch einer Etappe.

Bussolengo – Nago-Torbole

Auch die heutige Etappe war relativ kurz angesetzt, daher legten wir keine große Eile an den Tag, sondern frühstückten, packten unsere Sachen und checkten nach neun Uhr aus.

Fahren zwischen Weinreben
Fahren zwischen Weinreben

Da Bussolengo recht klein ist, waren wir in kurzer Zeit wieder auf dem Track und wenige Minuten später auf einem gut ausgebauten Radweg entlang eines Aquaedukts bzw. Kanals, das (der) Wasser aus den Bergen bis nach Verona bringt. Da es hier noch relativ hoch verläuft, gibt es viele schöne Ausblicke auf das Tal von der Seite oder den Brücken.
An irgendeiner Stelle jedoch kommt das Wasser aus dem Berg und der Radweg verläuft oben drüber. Zwar sind es mäßig viele Höhenmeter, die es zu überwinden gilt, aber mit immer wieder steilen Rampen im zweistelligen Prozentbereich und engen Kurven ist auch das nicht ohne Herausforderung.

Dafür erwartete uns oben ein Aussichtspunkt mit Blick auf die Etsch und das Fort Wohlgemuth sowie einen Einblick in das Tal, dem wir auf den kommenden Kilometern folgen werden.

Blick auf den Gardasee
Blick auf den Gardasee

Bald schon führt der Weg wieder an den Kanal zurück oder schlängelt sich – perfekt asphaltiert – durch die Weingüter. Die Trauben sind reif, allerorten wird geerntet. Nur an einer Umleitung fahren wir ein paar Kilometer Strasse, aber selbst diese ist ruhig.

In Mori biegen wir von Track nach Trento ab, um in Richtung Torbole und Gardasee zu fahren. Auch hier geht es auf einem perfekten Radweg bis Nago, wo wir uns eine Unterkunft suchen. Von Nago sind es nur zwei Kilometer nach Torbole an den See, so dass wir die Räder sehen lassen und nach dem Duschen in den Ort laufen.

Ich bade im See, wir schauen uns den Ort an, dann gibt es noch Eis und Abendessen. Zum Abschluss ein bzw. Aperol Spritz mit Blick auf den Gardasee, dann geht es wieder hoch zur Pension – und bald ins Bett.