Und plötzlich Herbst

Die Wettervorhersage hatte bereits über die letzten Tage angekündigt, dass es heute regnerisch würde – diesseits wie jenseits des Brenner. Der Morgen startete allerdings ersteinmal mit blauem Himmel.

Brennerradweg, italienische Seite
Brennerradweg, italienische Seite

Um neun Uhr machte ich mich auf den Weg. Der Radweg lag direkt vor dem Hotel, ich konnte quasi direkt auf die Route einbiegen. Der Radweg war wie gehabt gut ausgebaut und ich folgte ihm, während das Navi noch rechnete, einfach der Ausschilderung entsprechend. Einige kurze Abschnitte waren nicht asphaltiert, aber fahrbar. An einer Stelle jedoch folgte ich der Ausschilderung und nicht dem Track und hatte eine etwas längere nicht asphaltierte Strecke vor mir. Ob die Alternative auf der Straße aber besser gewesen wäre, darf ob des Verkehrs bezweifelt werden.

Wie oft in den Alpen zeigt sich hier, dass Hauptverkehrsadern, im Eisacktal sind das eine Bahnlinie, eine Autobahn und die allgemeine Straße, sich im Tal bündeln und Radrouten, um dem heftigen Verkehr zu entgehen, dann auf kleinen Wegen weiter oben am Hang geführt werden. Unten sieht man die gleichmäßig ansteigende Straße und selbst fährt man mit wilden Steigungen, um anschließend in starkem Gefälle wieder 10 oder 20 Meter zu verlieren. Das geht auf die Kondition und irgendwann auch auf die Motivation. Der Brennerradweg ist sicherlich wirklich schwer dadurch, aber auch er kennt das Phänomen.

Regenwolken im Anmarsch
Regenwolken im Anmarsch

Der letzte Teil zum Brenner hinauf führt dann über die alte Bahntrasse, hier lässt es sich perfekt radeln. Der Brennerpass selbst ist dann eher eine Hölle aus Verkehr, schlechter Gastronomie, Einkaufszentrum und Billigflohmarkt. Zudem wechselt man hier vom komfortablen Südtiroler Radweg auf die befahrene Straße auf der österreichischen Seite. Eine Radrouten, die auch nu seltenst auf dedizierten Wegen führt, beginnt erst später. Bei der Abfahrt ist dies weniger problematisch, weil man selbst mit dem Rad ja ziemlich schnell wird. Rauf möchte ich auf der österreichischen Seite mit dem Rad nicht fahren.

Da mir der Pass selbst zu hässlich war, kehre ich einen Ort weiter unten ein. Hatte ich auf der italienischen Seite noch 20°C und Sonne, zeigt das Thermometer jetzt 12°C an, es weht ein kräftiger Wind von vorn (nicht nur Fahrtwind) und es ziehen Wolken auf.

Ich ziehe mir wärmere Sachen an, esse und trinke warm. Und als ich losfahren will schüttet es. Ich warte bei einem Stück Kuchen ab, bis der Regen nachlässt. Kurz nachdem ich – in Regenklamotten – losgefahren bin, wird es heller und der Regen hört auf. Ich ziehe die Regensachen wieder aus, denn sie werden mir zu warm.

Hölle auf dem Brennerpass
Hölle auf dem Brennerpass

Eine Weile kann ich so fahren, dann fängt es wieder an zu regnen. Es ist nicht mehr weit bis zum Hotel und es gibt keine gute Möglichkeit zum Umziehen. Ich beschließe, dass ich meine Dinge im Hotel trocknen kann. Leider kommt noch eine Baustelle mit längerer Wechselampelphase, so dass ich doch ganz schön nass werde.

Im Hotel gibt es ein Spa mit Sauna, genau das Richtige bei diesem Wetter, ich nutze die Gelegenheit, bevor ich zu Abend esse und müde ins Bett falle.

Noch ein Berg

Morgens ließ ich mir Zeit. Zum einen mußte ich wegen meines Schutzbleches ohnehin warten, bis der Radladen in Malé aufmachte, zum anderen dürfte es in Anbetracht der ersten Kilometer in der Abfahrt ruhig noch etwas wärmer werden.

Radweg bei Malé
Radweg bei Malé

Vom Hotel bis nach Malé waren es etwa zehn Kilometer, wirklich sanft bergab auf einem gut ausgebauten Radweg. Im Ort fand ich zuerst den Laden, der schickte mich dann zu seiner Werkstatt ein paar Straßen weiter. Das passende Schutzblech war natürlich nicht vorrätig, aber der findige Fahrradmechaniker konnte helfen, indem er sechs Löcher ins Schutzblech bohrte und drei Kabelbinder fest durchzog. Keine Dauerlösung, aber sicher und ich habe weiterhin Schutz bei Nässe.

Wo der Radweg in Mostizzolo auf die Straße mündet, beginnt der Aufstieg zum Passo Mendola bzw. Mendelpass – hier verläuft die Sprachgrenze zum deutschen Spachraum. Die Straße hinauf ist vor allem von Motorradfahrern bevölkert, da kommt es ganz gelegen, wenn man zwischendurch mal auf brandneue Radwege, die in meiner OSM noch nicht eingezeichnet waren, ausweichen kann.

Vor und hinter mir Berge und Straße
Vor und hinter mir Berge und Straße

Oben mache ich eine Verschnaufpause mit einem deutschen Rennradler, den ich weiter unten in der Auffahrt schon einmal getroffen hatte. Er war zwar wohl schneller als ich, aber irgendwo falsch abgebogen.

Auf der rasanten Abfahrt machte ich einen Fotostopp an einr Stelle mit wunderbarem Blick über Bozen und das Etschtal. Dann rase ich weiter abwärts, bis ich wenige Kilometer vor Bozen auf einen Radweg, der zumindest in Teilen auf einer alten Bahntrasse entlangführt. Nahtlos ginge dieser Weg in die Auffahrt zum Brenner über, aber ich biege zum Essen, wegen der schönen Stadt und um eine Unterkunft zu suchen in die Innenstadt ab.

Bei einem Salat und mehreren Holunderschorlen stelle ich fest, dass Hotels in Bozen über meinem Budget liegen ud ich entscheide mich, noch etwa 30 Kilometer weiter bis Klausen zu fahren, wo ich ein deutlich günstigeres Hotel in einem kleinen, aber niedlichen, Städtchen direkt am Brennerradweg bekommen habe.

Blick über das Tal
Blick über das Tal

Auf dem Weg treffe ich einen Rennradler, der den Weg als Arbeitsweg nutzt, ich lasse mich von ihm etwas mitziehen, so dass ich trotz des leichten Anstiegs gut voran komme. Trotz guter Ausschilderung und guter Planung meinerseits geht beim Befahren solcher Wege nichts über Ortskenntnis.

Mein Hotel am Ortsrand von Klausen fand ich dann auch einfach. Zu mehr als einem kurzen Ortsrundgang und Essen im Hotel hat es dann aber nicht mehr gereicht, war doch wieder wieder Waschtag angesagt. Zudem stecken mir viele bergige Kilometer in den Beinen, so dass ich abends dann auch beizeiten müde werde.

Prad am Stilfserjoch – Laatsch

Den Morgen beginnen wir zeitig und als wir um 07:30 Uhr zum Frühstück gingen, waren die Taschen bereits gepackt. So konnten wir um ca. zwanzig nach acht abfahren. Als kleines Extra legten wir einen Umweg ein – über das Stilfserjoch, italienisch Stelvio.

Stilfserjoch - Stelvio
Stilfserjoch – Stelvio

Von der Unterkunft ging es direkt auf die Strasse zum Pass. Uns trennten etwa 24km und 1800 Höhenmeter von dort. Rechnerisch sind das irgendwo zwischen sieben und acht Prozent – im Schnitt. Zunächst zog sich die Strecke durch das schattige Tal, trotz Temperaturen um die 11°C am Morgen tat der leichte Anstieg von vielleicht 3%-5% seine Wirkung und uns wurde warm. Bald schon wurden 6% bis 7% daraus und es taten sich Blicke auf die umliegenden Berge auf.
Der Verkehr war mäßig, hinter Trafoi fast noch schwach. Erst mit fortschreitender Uhrzeit wurden es mehr Motorräder, Autos und Sportwagen. Gerade letztere zeichneten sich dadurch aus, genauso langsam wie jede Reisschüssel den Berg hoch zu fahren, das dafür aber unter ohrenbetäubendem Lärm. Ein Konzept, was sich mir nicht vollständig erschliesst. Neben vielen vernünftigen und oft sogar nett grüßenden Motorradfahrern, gab es natürlich auch wieder die unvermeidlichen Idioten, über die man bei der Lektüre über das Radfahren auf Alpenpässen häufig liest. Insgesamt nicht so ruhig, wie vor zwei Jahren in den Pyrenäen, aber weit weniger problematisch, als ich es befürchtet hatte, zumal nach tagelangem Fahren fernab vom motorisierten Verkehr.

Micha von oben
Micha von oben

Irgendwann begannen dann die Kehren. 48 sind es an der Zahl und von unten kommend zählt es rückwärts. Zunächst kommen zwei, dann zieht es sich am Berg langsam aufwärts, dann noch ein paar und schliesslich öffnet sich der Blick auf eine schier unendlich scheinende Zahl an Kehren bis zum Pass weit oben. Etwa neun Kilometer vor dem Pass wurde es dann langsam auch recht anstrengend zu fahren und so fragte ich Michael, ob es für ihn ok wäre, wenn ab dort bis oben jeder seinen eigenen Takt fährt und er stimmte zu.
Da ich eine bessere Übersetzung im unteren Bereich habe, vier Zähne mehr auf dem großen Ritzel, konnte ich auf den steileren Passagen schonender fahren und erreichte den Pass etwas vorher. Dort traf ich noch die zwei Radler vom netten Restaurantgespräch am Vorabend.

Passfoto!
Passfoto!

Micha wurde zusätzlich durch einen Motorradunfall (mit wohl nur leichten körperlichen Blessuren aber einem großen Schreck), den ich nur hinter mir mitbekam (und sah, dass Helfer vor Ort waren) und einen technischen Defekt einer anderen Radfahrerin, bei dessen Behebung er behilflich war aufgehalten. So hatte ich die Möglichkeit von der über dem Pass gelegenen Hütte Fotos zu schliessen, als er die letzten Kehren nahm.

Er wurde wie ich begeistert von Motorradfahrern und Radfahrern am Pass empfangen, dann gönnten wir uns auf der Hütte etwas zu essen und viel zu trinken. Die Hitze der letzten Kehren in der Mittagssonne verflog bei 13°C recht schnell und für die Abfahrt zogen wir uns ohnehin warm an.
Zurück ging es über den Umbrail und damit einige Kilometer durch die Schweiz. Solch eine Abfahrt mit vielen Spitzkehren ist immer ein guter Test für die Bremsen und die korrekte Beherrschung derselben – speziell mit einem beladenen Rad.

In Laatsch, zurück in Italien, gönnten wir uns ein Eis und besorgten uns eine Unterkunft, den Reschenpass am gleichen Tag wollten wir nicht noch mitnehmen.

Burgstall (Postal) – Prad am Stilfserjoch

Der Morgen begann mit einem netten Frühstück. Die Betreiberin der Pension, eine ältere Dame mit ihrer noch älteren Mutter, erzählte auf Nachfrage einiges über dad Leben in der Region, Sprache und Kultur, aber auch zu den vielen Obstfeldern. Am Ende bekamen wir sogar leckere Äpfel aus dem Garten mit.

Meran
Meran

Es war nicht weit zum Radweg, auf diesem ging es dann nach Meran hinein. Neben dem Aufstocken der Bargeldreserven schauten wir uns ein wenig in der Stadt um und tranken noch einen Latte Macchiato. Dann ging es wieder zurück auf die Piste. Kurz hinter Meran geht es zunächst einmal kräftig aufwärts. In sieben Spitzkehren windet sich der Radweg diverse Höhenmeter nach oben.
Anschliessend folgt der Weg im Wesentlichen wieder der Etsch, nebenher läuft auch eine Bahnstrecke. Es geht also nur noch mäßig aufwärts, ein paar kleine und eine lang gezogene Steigung sind aber zu überwinden. Noch immer kamen uns große Gruppen von Radtouristen entgegen. Immer wieder eine fahrerische Herausforderung auf dem teils schmalen oder kurvigen Weg.

Micha in der Steigung
Micha in der Steigung

Zwischendurch versorgten wir uns an der gastronomischen Infrastruktur am Radweg, die wirklich beeindruckend ist. Ebenso wie die wunderschöne Landschaft, die man abseits des Autoverkehrs hier perfekt geniessen kann.

Am Nachmittag erreichten wir Prad am Stilfserjoch, wo wir eine Unterkunft gebucht hatten. Hier geht es im Vinschgau zur einen Seite nach Meran, wo wir herkamen, zur anderen Seite geht es zum Reschenpass, den wir auf dem Weg nach Norden auch bezwingen müssen. Und zur dritten Seite zweigt ein Tal ab in Richtung Schweiz, dort geht es zum Stilfserjoch, einer der imposanten Alpenpässe – und mit 2757 Metern auch recht hoch.
Abends gingen wir noch im Ort essen, dort trafen wir weitere Radler, die mit Gepäck auch mal aufwärts fahren. Es gab eine nette Unterhaltung.

Nago-Torbole – Burgstall (Postal)

Beim Frühstück entschieden wir, nicht direkt das Tal von Torbole nach Trento zu fahren, sondern den Weg zurück nach Mori zu nehmen, den wir auch gekommen waren. Der Grund ist simpel: laut Karte (wir hatten keinen Track vorbereitet) ist einiges an Strasse zu fahren – und am Sonntag ist hier ein ziemlicher Verkehr.

Endlose Täler
Endlose Täler

Die paar Kilometer zum Abzweig zurück nach Mori vergehen wie im Flug, es geht oft bergab. Irgendwo folgen wir sogar ein paar Rennradlern mit entsprechender Geschwindigkeit. Auf dem Weg in Richtung Rovereto wird es dann voller: es sind Tagesausflügler, Reiseradler, Rennradler, Mountainbiker und ganze Rentnergruppen unterwegs. Die meisten kommen uns entgegen, der Weg aus den Bergen ins Tal ist irgendwie beliebter. Ausser bei Rennradlern.
Da hier der Radweg fernab von Strassen in hervorragender Qualität aber nahezu flach verläuft, geht es durch weite Obstplantagen schnell voran. Erwähnt werden muss die hervorragende Infrastruktur: es gibt einfache Rastplätze mit Bank und Mülleimer, es gibt welche mit Tisch und Wetterschutz und sogar einige mit Trinkwasser-Hahn. Ausserdem gibt es direkt am Radweg (ohne sonstigen Zugang, also komplett auf Radfahrer ausgerichtet) diverse kleine Gaststätten mit der Möglichkeit zu trinken, zu Essen, Gels zu erwerben … und auf’s Klo zu gehen.

Wir nähern uns schon bald Bozen. Da sich aber der Himmel zuzieht und aufgrund der ungewöhnlich warmen Witterung gegen Nachmittag immer wieder Gewitter entstehen, lassen wir die Stadt rechts liegen und fahren weiter nach Norden. Bald holt uns, noch bei schönstem Sonnenschein, der erste Regen ein. Es tröpfelt aber nur, unterstellen oder Regenkleidung lohnen nicht. Bei 28-30 km/h Wird die Kleidung auch nicht besser als durch das Schwitzen bei 31°C ohnehin.

Regen zieht durch die Berge
Regen zieht durch die Berge

Bei jeder Pause gibt es immer wieder Interessierte, die unsere Liegeräder genau inspizieren. Gerade meines mit der Solarzelle erregt immer wieder die Aufmerksamkeit. Viele vermuten einen Elektroantrieb, wofür eine Solarzelle dieser Größe natürlich nicht im geringsten reichen würde. Dass wir uns mit Solarzelle und Dynamo aber komplett selbst mit Strom versorgen für Navi, Handy, Kamera, Tablet und Licht, erstaunt viele dann doch.

Am Nachmittag nähern wir uns Meran. Wir haben die Gegend um Meran als Tagesziel festgelegt, weil es von Zeit und Kilometern gut in die heutigen und weiteren Pläne passt. Während wir noch mit ein paar Sonnenstrahlen bedacht werden, ziehen über die Berge erste Gewitter. Wir entscheiden einige Kilometer vor Meran auf gut Glück in Burgstall (italienisch: Postal) eine Unterkunft zu suchen und werden auch gleich passend fündig. Kurz nach dem Einchecken bricht draussen das Gewitter mit starkem Regen los. Glück gehabt! Natürlich nicht nur, mit einiger Erfahrung auf Tour kriegt man einen Blick dafür, wann es besser ist, sich ein sicheres Plätzchen zu suchen. Das Regenradar hilft: den Bergen nur bedingt: es zeigt, wann sich die Gewitter anfangen zu bilden, aber wann und ob sie über den Berg von einem Tal ins nächste schwappen, ist kaum zu sehen. Da hilft nur selbst schauen – mit entsprechend kurzer Vorwarnzeit.
Den Pool nutze ich auf Grund des Wetters nicht, aber nachdem der Regen vorbei ist machen wir einen Spaziergang zum Restaurant, der Hunger nagt nach solch einer Etappe.