Sonntag, 18.09.2011
Als ich aufwache prasselt Regen an die Dachfenster. Ich versuche dies eine Weile zu ignorieren, bevor ich mich aufraffe und das Wetterradar anschaue. Das Regengebiet zieht von West nach Ost durch, eine Zeit wird es noch erhalten bleiben, dahinter sieht es besser aus. Also kein Stress: Ich brauche die anderen nicht zu wecken, warte bis alle von selbst aufwachen. Eine Dusche gönne ich mir noch, dann geht es zum gemeinsamen Frühstück, das wir ausdehnen, bis es aufhört zu regnen.
Martin hat angekündigt, mich noch zu begleiten. Da es kühl, grau und noch immer sehr feucht draußen ist, frageich ihn, ob er das denn immernoch will und er bejaht. So machen wir uns fertig und auch der Rest der Liegeradler bereitet sich langsam auf die Heimfahrt vor. So komme ich noch zu einem größeren Geleit auf den ersten Metern in Richtung Rheinfähre, bevor Martin und ich allein weiterfahren. Wir haben Hannos Wegbeschreibung wohl beide nicht sonderlich gut zugehört und verfransen uns kurz, finden dann aber dank Ortskenntnis von Martin und meinem Garmin doch recht zügig den Weg zur Fähre.
Leichter Nieselregen trübt das Vergnügen noch, doch der Himmel wird langsam heller. Nach dem Übersetzen auf die andere Rheinseite sind im nächsten Ort die Schilder bereits in französisch – ich habe die Grenze übertreten, es beginnt gefühlt der zweite Teil der Tour: Nächstes Zwischenziel ist das Mittelmeer!
Der Regen hört endgültig auf, die Temperatur klettert von 13°C auf 15°C. Wir fahren auf einem hervorragenden Radweg, der nebenbei auch perfekt ausgeschildert ist, entlang des Rheins in Richtung Strasbourg. Da der Weg über weite Teile hinter dem Rheindeich verläuft, der hier teilweise eine beachtliche Höhe hat, bietet er landschaftlich nicht so viel Abwechslung, wir freuen uns über die Bäume, die den Gegenwind etwas mildern und unterhalten uns neben der Fahrt über unsere diversen Liegeraderlebnisse. Einige Kilometer vor Strasbourg kehren wir ein, um unsere Energiereserven aufzufüllen. Das Wort für Kartoffelpuffer kann ich leider nicht mehr wiedergeben („Gumberbeerenkiechle“ oder so ähnlich?), es scheint mir aber, als müßte ich mir dieses für den Rest von Frankreich nicht unbedingt merken.
Von Strasbourg sehe ich nicht viel, ich kann einen flüchtigen Blick aufs Europaparlament erhaschen, streife die Innenstadt, mehr Sightseeing verschiebe ich aber auf eine andere Tour. So geht es an den Rhein-Rhone-Kanal, neben dem über die kommenden Kilometer ein wunderbarer Radweg verläuft. Es geht ziemlich gerade durch die Landschaft, an jeder Staustufe geht auf der Radweg eine kurze Rampe hinauf, ansonsten ist es flach. Im Osten läßt sich ab und zu ein Blick auf die Berge des Schwarzwalds am Horizont erhaschen, auch im Westen tauchen in einiger Entfernung ein paar Berge im Dunst am Horizont auf.
In Krafft verläßt mich Martin, der von hier auch noch ein paar Kilometer nach Hause vor sich hat. Ich fahre noch ein kleines Stück weiter am Kanal entlang, bis der Radweg endet und ich mit einer kurzen Ostpassage auf die D468 gelange, der ich ab sofort weiter nach Süden folge. Zuerst ist mein Gedanke: „Mist, Straße“, doch das ändert sich nach kurzer Zeit. Die französischen Autofahrer lerne ich als rücksichtsvoll kennen, es wird in gutem Abstand und durchweg an übersichtlichen Stellen überholt. Kein Hupen, gerne aber ein Winken oder grüßen im Vorbeifahren. Die Landschaft ändert sich, die Sonne bricht durch die Wolken und gibt spektakuläre Blicke bei herrlichem Licht frei. Ich vergesse fast, daß ich mir noch eine Unterkunft suchen muß, bis die Sonne hinter den Bergen verschwindet.
Beim nächsten Schild „Chambre – Zimmer – Rooms“ halte ich an, doch ist hier nichts frei. „Fahren Sie nach Marckolsheim“, rät mir die ältere Dame, „dort finden Sie etwas. Es sind noch 10 Kilometer.“ Also geht es weiter. Ich verdrücke meine letzten Müsliriegel, denn ich habe meine Energie langsam verfahren, und hoffe, daß sie recht hat. Die 10km scheinen sich lang hinzuziehen.
Endlich komme ich in Marckolsheim an und finde auch dort alsbald ein Schild, das „Chambre“ feilbietet. Ich folge, klingle und bekomme ein geräumiges Zimmer und einen abgeschlossenen Garagenstellplatz für mein Rad, der zudem den Vorteil hat, daß meine Sitzpolster am nächsten Morgen sicher nach frischen Äpfeln duften…
Im Ort bekomme ich um diese Uhrzeit – kurz vor 20 Uhr – noch etwas zu essen („Beeilen Sie sich aber, duschen Sie hinterher!“ – „Die armen anderen Gäste!“ – „Die sollen ihre Nasen in ihre Suppe stecken!“). Nach der Rückkehr mache ich mich frisch und bettfertig und beschäftige mich noch ein wenig mit meiner Technik, um auch in den kommenden Tagen weiter hier berichten zu können.
Auf dem Tacho stehen 137 Kilometer.