Da wir eine lange Etappe vor uns hatten, packten wir und sattelten früh die Räder. Vor dem Aufbrauch gab es ein leckeres Frühstück, alles Bio und alles frisch und wie immer auch sehr reichhaltig.
Draußen erwartete uns ein wolkenverhangener, grauer Tag. Es regnete nicht, aber es war auch nicht wirklich trocken. Nach wenigen hundert Metern durch Värnamo fuhren wir wieder auf die vielbefahrene 27 auf. Am Morgen hatte ich am Frühstückstisch nocheinmal sichergestellt, daß uns unser Track nicht ab Borås über die Autobahn führt, sondern ab Tranemo der 156 folgt. So eine stark befahrene Straße, die nur streckenweise einen genügend breiten Seitenstreifen aufweist ist zwar kein großes Vergnügen auf dem Fahrrad, hat aber den Vorteil, daß man recht gut vorankommt.
Bis zu dem Punkt, wo der Regen einsetzte. Wegen des nur unzureichend aussgekräftigen Radarbilds von Schweden, daß ich via Handy abgerufen hatte, gingen wir zuerst davon aus, daß nur ein kleiner Schauer über uns hinweg zieht und pausierten unter dem Tarp. Aber der Regen blieb. Und so fuhren wir dann im Regen weiter. Bis Tranemo.
Dort verpflegten wir uns zunächst in einem Supermarkt, aber der Regen ließ nicht nach, wurde im Gegenteil immer wieder stärker – und uns wurde kalt. Die Temperatur war stark zurückgegangen und wir hatten noch mehr als 100km vor uns. Der Zeitdruck wuchs, wollten wir noch eine der beiden möglichen Fähren bekommen – und wir standen vor einem Dilemma: warme Kleidung, die wir jetzt anziehen würden, würde unweigerlich naß werden und uns dann nach der Ankunft zum Wärmen fehlen. In der Kälte und naß weiterfahren war aber auch keine gute Option, zumal Manuel als Brillenträger auch nicht in der Lage war, der vor uns liegenden Strecke angemessene Geschwindigkeiten zu fahren.
Wir sammelten alle Infos zusammen, um mit der Bahn weiterzukommen. Wenige Kilometer entfernt, in Limared, gab es einen Bahnhof und uns blieb genug Zeit, die Bahn dort zu kriegen, also fuhren wir durch den strömenden Regen dort hin. Am Bahnhof kein Ticketautomat, kaum Informationen, außer der Bestätigung der ermittelten Abfahrtszeit. Wir wärmten uns in der nahen Tankstelle mit einer heißen Schokolade auf, während wir auf den Zug warteten.
Der Zug kam und es gab kein Fahrrad- oder Gepäckabteil. WIr wuchteten die Räder erstmal in einen Eingang. Nach der Abfahrt ging ich durch den Zug zum Zugbegleiter, der mir folgte und beim Anblick der Räder erklärte, daß die schwedische Bahn keine Räder befördert, wir müßten an der nächsten Haltestelle, Borås, aussteigen. Er war nett, hätten wir vielleicht nur zwei Stationen fahren wollen und nicht den ganzen Weg bis Göteborg, ich bin sicher, er hätte ein Auge zugedrückt, so aber ging das nicht – wir versperrten den Weg.
In Borås am Bahnhof versuchten wir den Zugbegleiter in einer Art Ferkeltaxi zu überreden, dort war immerhin mehr Platz, dieser konterte allerdings, wir müßten noch etwas warten mit der Fahrradbeförderung, das ginge ab nächstem Jahr. So waren wir also in Borås gestrandet, von wo nur die Autobahn sinnvoll nach Göteborg führte und die Zeit bis zurAbfahrt der Fähre wurde immer enger. Man verwies uns an den nahen Busbahnhof.
Schwedische Busse transportieren aber auch keine Fahrräder. Damit war auch Plan C gescheitert. Wir wurden an die Busfracht-Firma verwiesen. Kein Fahrrad-Transport. Plan D: gescheitert. Letzter Ausweg Plan X, wir mieten ein Auto. Der freundliche Mitarbeiter des Busfrachtterminals konnte uns die nächste Europcar-Filiale nennen, dort radelten wir dann (im strömenden Regen, natürlich) hin.
Triefend naß, die Räder eingesaut vom Dreck der Straße standen wir dann dort und der Herr von Europcar erklärte mir, er habe einen Golf zur Verfügung. Ungläubig fragte ich nach einem Van, einem Transporter. Nichts dergleichen. Er schaute auf die Räder, auf seinen Golf und begriff, daß das nicht funktionieren würde. Nach etwas Suchen fand sich dann noch ein Golf Kombi. Wir druften ausprobieren, ob wir alles in das fast neue Auto bekommen – was dann auch letztendlich klappte, nachdem wir on Manuels Rad den Lenker abschraubten. Und so ging es dann los, die teuersten 100km unserer Tour.
Die Zeit war knapp und so sorgte ein Stau bei der Einfahrt nach Göteborg dafür, daß wir keine Hoffnung mehr hatten, die Fähre um 18:30 Uhr zu bekommen. Wir beeilten uns dennoch bei der Abgabe des Autos, beim Aufsatteln der Räder und kamen um 18:33 Uhr am Fährterminal an. Die Fähre legte gerade ab – und der Fahrkartenschalter war geschlossen. Keine Information, alles ausgestorben – nichts. Bis ich einen Wachmann fand und ihn nach der Nachtfähre um kurz vor Mitternacht fragte. Er teilte mir mit, daß diese nur LKWs und Autos transportiere und daher das Passagierterminal dann zu sei, bei Fahrrädern sei er sich nicht sicher – wir woltlen es mal am Frachtterminal versuchen, bei den LKWs, da sei immer jemand.
Am Frachtterminal die rettende Auskunft, daß wir mit den Rädern auf die Fähre dürften, das Terminal öffnet um 22 Uhr, dann sei ein Kauf der Tickets per Kreditkarte möglich. Unser Anblick war wohl so mitleiderregend, daß uns sogar angeboten wurde, daß wir in der Trucker-Longe trocken und warm warten könnten bis dahin – wir nahmen aber die Gelegenheit wahr und drehten eine Runde durch Göteborg, bevor wir in einem Pub einkehrten und erstmal ordentlich Kalorien nachlegten. Draußen stürmte es.
Püktlich um 22 Uhr waren wir am terminal und konnten Tickets kaufen und gesellten uns zu diversen LKWs, zwei Wohnmobilen und wenigen PKWs im Wartebereich, bis die Fähre ankam. Diese spuckte diverse riesige Schwertransporte (mit separat gelenkter Hinterachse, über 40 Meter lang , 80 Tonnen schwer) aus, ein faszinierender Anblick. Nach dem Entladen durften wir als allererstes auffahren – mit guter Geschwindigkeit in den leeren Bauch der Fähre preschen, sich ein Eckchen suchen und dann ab in irgendeinen ruhigen Bereich der Fähre, wo wir auf der vierstündigen Überfahrt vielleicht ein wenig Schlaf finden.
Wir verfolgen amFenster noch ein wenig die Ausfahrt aus Göteborg und dösen langsam weg. Als die Fähre den schützen Schärengarten von Göteborg verläßt wache ich nocheinmal kurz auf, weil das riesige Schiffe unter heftigen Vibrationen in die Wellen des aufgewühlten Kattegatt eintaucht. Unglaublich, mit wieviel Wucht sich eine solche Menge an Stahl plötzlich bewegen kann.