Kassel – Hehlen

Beim morgendlichen Blick aus dem Fenster war die Straße nass und der Himmel wolkenverhangen. Auch das Regenradar ließ noch keine eindeutige Prognose zu. Aber zumindest regnete es in diesem Moment nicht. Wir packten unsere Sachen und zogen uns abfahrbereit an, dann gingen wir zum Frühstück. Mein erster Check galt dem am Vorabend geflickten Reifen, doch dieser hatte keine Luft verloren und alles war gut.

Fuldaradweg bei Sonne

Nach dem Frühstück verließen wir Kassel auf schnellstem Wege und waren froh, schon nach knappen zehn Minuten den großen Straßen entronnen zu sein. Der Radweg führt hier nach Kartenlage zwar häufig straßenbegleitend im engen Fuldatal zwischen Kreis- oder Bundesstraße und Fluss entlang, aber in den meisten Fällen ist das kaum zu bemerken, da er häufig tiefer und durch eine Böschung getrennt verläuft und der Verkehr sich in Grenzen hält.

Entspannend ist die Fahrt allemal, auch wenn bis Hann. Münden kaum große Überraschungen warten. Der Fluss windet sich durch die Landschaft und man folgt diesen Windungen. Selten geht es durch Orte und die meisten sind auch nicht besonders auffällig.

Weserradweg at it’s best

In Hann. Münden schließlich vereinigen sich Fulda und Werra zur Weser und der Name des Radweges ändert sich in Weserradweg. Dochnfolgt dieser jetzt bis Gottstreu der B80, bis er endlich abseits der Straße näher am Fluss entlang verläuft. Um diese Jahreszeit blühen die gelben Rapsfelder mit ihrem markanten Duft und es gibt auf den Deichen häufig Schafe mit Lämmern zu sehen, einmal müssen wir sogar kurz warten, weil eine Schafherde den Weg versperrt.

Einige Male wechselten wir die Weserseite, immer auf Brücken. Wir kamen auf den Wegen sehr gut voran und erreichten nach knapp 100km unseren Mittagswegpunkt Höxter, wo wir in der Innenstadt aßen und Rafael trafen, bei dem ich auf meiner letztjährigen Tour untergekommen war. Da es noch früh war und wir gutes Wetter hatten, entschieden wir noch weiter zu fahren, obwohl ein paar Wolken aufzogen.

Bodenwerder

Wegen einer Baustelle mussten wir bis Kloster Corvey den Weg improvisieren, ab dort lief es auf dem sehr ruhigen Weg, meist auf der gegenüberliegenden Seite Flussseite der B80 recht gut. Da es aber einige Male bereits genieselt hatteentschieden wir in Bodenwerder, Quartier zu suchen und wurden einen Ort weiter in Hehlen direkt am Track fündig. Genau als wir eintrafen fing es an zu regnen und wir bezogen ein nettes Zimmerchen. Später klarte es nochmal auf und wir konnten im Ort zu Abend essen.

Melsungen – Kassel

Der Morgen startete grau. Nach dem Aufwachen warfen wir einen Blick aus dem Fenster und aufs Regenradar. Beides bestätigte: es ist nass, es bleibt zunächst nass und wir können uns Zeit lassen. Also ließen wir es langsam angehen, gingen in Alltagsklamotten (sort of) zum Frühstück und packten unsere Dinge danach. Beim Auschecken hatte es aufgehört langsam zu regnen.

Kurze Pause unter einer Brücke

Das Regenradar ließ vermuten, dass der Regen nur sehr langsam in Richtung Norden ziehen würde und es in unserer Fahrtrichtung trockener sei. Folglich machten wir uns auf den Weg. In Regenkleidung und mit regenfest verpackten Utensilien. Während Micha mit wasserfesten Ortliebs unterwegs war, hatte ich in der Radical-Tasche ja nur die empfindlichen Dinge in wasserfesten Beuteln untergebracht. Alles andere würde über die Zeit zumindest feucht werden.

Der Radweg hinter Melsungen ist teilweise auf als eigener Radweg, teils auf sehr ruhigen Kreisstraßen und zeitweise als straßenbegleitenden Radweg neben der Bundesstraße ausgeführt. Verkehr war also bei anhaltendem Regen kein Problem, ab und zu ging es ein wenig hoch oder runter. Nötige Straßenquerungen sind meist gut geplant, wahlweise als Tunnel oder mit sinnvollen Überwegen.

Stadtrundgang in Kassel

Der Plan dem Regen davonzufahren ging allerdings für uns nicht auf. Das Regengebiet setzte sich über uns fest und wir entschieden bei einer der seltenen Pausen unter Brücken, dass wir nur bis Kassel, also etwa 40km fahren wollten. Die Nässe kroch durch die Regenkleidung und die Temperatur von nur etwas mehr als 10°C sorgte zusammen mit dem Fahrtwind für Auskühlung, sobald man nicht im oberen Leistungsbereich trat.

In Kassel suchten wir uns also bereits mittags ein Hotel und begannen auf der Heizung unsere Sachen zu trocknen. Nach einer Dusche musste ich erstmal das Glas aus dem hinteren Reifen holen und selbigen flicken. im Anschluss begaben wir uns auf einen Stadtrundgang durch Kassel, aßen etwas und kehrten früh ins Hotel zurück. Der Regen war abgezogen und wir hofften auf einen besseren nächsten Tag.

Eisenach – Melsungen

Morgens um sieben traf ich mich mit Micha am Hauptbahnhof in Berlin, um den ICE nach Eisenach zu nehmen. Wir besorgten uns Brötchen beim Bäcker, dann ging es runter zum Bahnsteig. Pünktlich rollte ICE 595 in den Bahnhof und wir konnten entspannt einsteigen. Das Fahrradabteil des ICE4 war. Noch leer, außer uns stiegen nur zwei weitere Radfahrer ein. Für uns hatte ich die Hängeplätze 107 und 108 direkt neben der Tür reserviert das ist mit dem Lieber meist besser als die quer im Gang stehenden Plätze, gerade wenn andere dort mit anderen Rädern oder Gepäck durchwuchten. Auch wenn es ab Leipzig voller würde, war die Fahrt pünktlich und angenehm.

Reisefertige Liegeräder im Berliner Hauptbahnhof

In Eisenach stiegen wir aus, die Handgriffe und gegenseitige Hilfe war mit den beiden anderen aussteigenden Radfahrern abgestimmt, so dass alles leicht von der Hand ging, sehr zur Freude des Zugbegleiters. Zügig verließen wir die Stadt auf dem erprobten Weg, auch wenn dieser einen kurzen nicht asphaltierten Anstieg bereithält. Der Himmel zog sich langsam zu, aber das Wetter blieb freundlich. Etwa auf halbem Weg zwischen Eisenach und Bebra ging es denn auf uns unbekannte Strecken, vornehmlich entlang der Bahnstrecke. Das klingt im ersten Moment nach flacher Strecke, es gibt auch wirklich keine langen Anstiege, aber die Servicewege sind nicht nivelliert und bieten immer wieder kräftige Rampen und knackige Schussfahrten, bei denen man wegen Sand in denKurven dann aufpassen muss.

Kurz hinter Eisenach

In Bebra bogen wir schließlich auf den Fuldaradweg ein, der zumeist auf Wirtschaftwegen oder als expliziter Radweg mit gutem Belag und weniger Steigungen entlang der Fulda führt. Einen kleinen Zwischenstopp erlaubten wir uns in Rotenburg a.d. Fulda, wo wir zu Mittag aßen. Außerdem schauten wir nach möglichen Orten für die erste Nacht. Eine Entscheidung hatten wir aber nicht getroffen.

An der Seil(bahn)fähre

Ein Highlight der Etappe war sicherlich die handbetriebene Seilbahn über die Fulda hinter Binsforth, bei der es dann auch für die Arme Training gab und etwas Ruhe für die Beine. Anschließend verläuft der Radweg noch einige Zeit durch die Wiesen nahe des Flusses oder neben der im Tal verlaufenden Bahnlinie, kurz vor Melsungen als begleitender Radweg neben der Bundesstraße 83.

Innenstadt von Melsungen

Bei einem kleinen Snack gegen halb vier am Ortseingang von Melsungen entschieden wir, in Melsungen ein Hotel zu suchen, was schnell gefunden war. Zwar war es nah am Track, aber es lagen doch ein paar Höhenmeter dazwischen und das Navi genierte sich nicht, einen Weg zu suchen, der knackig über 15% Steigung bot. Die Räder bekamen einen sicheren Platz und wir konnten duschen und etwas ausruhen, bevor wir einen kleinen Stadtrundgang in Melsungen machten.

Magdeburg – Brandenburg (- Berlin)

Der letzte Tag stand an. Knappe einhundert Kilometer nach Brandenburg a.d. Havel, von dort hatte ich mir vorgenommen den Rest des Weges mit der Bahn zurückzulegen. Die altbekannten Wege auf den letzten Kilometern nach Berlin rein, darauf hatte ich keine Lust.

Wasserstraßenkreuz Magdeburg

Um die übliche Zeit stieg ich auf’s Rad, zunächst folgte ich dem Elberadweg einige Kilometer auf einer sehr schönen und ruhigen Strecke. Das Wasserstraßenkreuz, wo der Mittellandkanal auf einer Brücke die Elbe kreuzt, mit der Schleuse Hohenwarthe ist ein faszinierendes Bauwerk. Ich war hier zwar bereits sowohl mit dem Rad als auch mit dem Boot, aber dennoch lohnte sich der kleine Abstecher für mich, zumal er mir auch ruhige Wege bescherte.

Über Burg bei Magdeburg ging es dann vorwiegend auf ruhigen Landstraßen weiter. Zwar gibt es den Elbe-Havel-Radweg, der am Kanal entlang führt, dieser ist in weiten Teilen jedoch nicht asphaltiert und nichts für meine dünnen Reifen. Daher blieb ich auf den Straßen, jedenfalls bis ich am Großen Wusterwitzer See wieder auf die Radroute stießen, die von hier auf einem befestigten Weg bis Brandenburg durch den Wald und an weiteren Seen vorbeiführt.

Eis am See

In Brandenburg steuerte ich direkt den Bahnhof an, wo auch bereits ein RE zur Abfahrt bereit stand, so dass ich nur einsteigen musste. Vom Bahnhof Zoo, wo ich ausstieg, fuhr ich dann noch zur Tankstelle um die Ecke, um den gröbsten Staub der Reise vom Rad zu waschen. Das wenige Gepäck war zu Hause in kurzer Zeit ausgeräumt, die Waschmaschine lief und ich konnte entspannen nach dieser Reise mit ihren vielen Eindrücken aus Gegenden Deutschlands, die ich vorher nie oder selten besucht hatte.

Goslar – Magdeburg

Nur etwas mehr als 100 Kilometer bei bestem Wetter standen mir bevor – und das ohne nennenswerte Anstiege. Sonderlich beeilen musste ich mich also nicht. Beim Frühstück unterhielt ich mich mit einem der vielen Motorradfahrer aus dem Hotel, das offenbar ein Hotspot für Biker auf der Suche nach Harz-Abenteuern war. Anschließend packte ich meine Sachen und machte mich fertig.

Kurze Pause nach dem einzigen Anstieg

Um halb zehn rollte ich vom Hof, der erste Teil der Strecke hatte ein angenehmes Gefälle, so dass ich auf der Bundesstraße dennoch recht problemlos durch den Ort kam. Nach dem Ortsausgang führte der Weg auch auf einer Kommunalstraße parallel zur Autobahnähnlichen B6, so dass ich vom Autoverkehr leidlich verschont blieb. Es war der erste Tag, an dem ich nicht ausgewiesenen Radrouten folgte, sondern auf einer selbstgeplanten Strecke unterwegs war.

Kaum Wind, gute Straßen, relativ zielstrebige Strecke und das anfängliche „Anschieben“ durch das Gefälle verliehen mir auch eine ordentliche Geschwindigkeit. Zwar war es eingangs noch hügelig und es gab kurze Anstiege, aber das konnte mich nicht wirklich bremsen, dafür gab es herrliche Blicke über die sich öffnende Landschaft.

Bei Badersleben erreichte ich dann doch noch ein Highlight: Es ging für ein paar Kilometer auf einem Bahntrassenradweg nach Eilenstedt. Holunderbüsche säumten den Weg, es war kaum etwas los, der Himmel war blau. Als sollte es eine Wiedergutmachung für die teils sehr nervige Führung des R1 am Vortag sein.

Schnurgerade durch die Landschaft

Spätestens ab Wanzleben allerdings wurde der Verkehr dichter und die Einfahrt nach Magdeburg zwischen Autos und auf schlechten Radwegen machte keinen großen Spaß. So war ich froh, als ich nach knapp 100 Kilometern die Elbe erreichte und an der Elbpromenade dann auch in Sachen Essen und Eis fündig wurde.

Gemütlicher Abend

Ein Hotel hatte ich bereits am vorherigen Abend reserviert, mit nur einem kleinen Abstecher zum Getränkekauf fuhr ich dann dorthin, es lag auf der anderen Elbseite im Park, so dass ich abends noch einen netten Spaziergang über den Radfahrern und Fußgängern vorbehaltenen Herrenkrugsteg und in Richtung des Wissenschaftshafens machen konnte. Dort konnte ich alte Eisenbahnen, einen Kettendampfer und die Speichern anschauen und vor der Rückkehr ins Hotel in der Beachbar chillen.