Südwest 2011: Pannentag ist Strandtag

Sonntag, 25.09.2011

Am Himmel gibt es eine graue und eine blaue Zone und beides scheint sich nicht zu bewegen. Die graue Zone liegt gen Osten, ich will ohnehin ein paar Kilometer weiter nach Westen. Und Sonne kann ich später am Strand gebrauchen, wenn ich erstnal ein wenig fahre, dann ist weniger Sonne ganz gut.

Also Frühstück und los. Schon kurz hinter Sete beginnt wieder ein wunderbarer Radweg hinter den Dünen am Strand. Läden, wo ich endlich eine Badehose kaufen könnte, gibt es hier alerdings nicht. Und irgendwann hört abrupt auch der Radweg auf. Ich fahre auf die D-Straße, der nicht asphaltierte Weg daneben gefällt mir nicht. Nicht kurz danach sehe ich im Rückspiegel einen Rennradler. Der Spieltrtieb packt mich und ich ziehe die Geschwindigkeit ein wenig hoch, viele Kilometer will ich eh nicht fahren heute, da kann man sowas schonmal machen. 32 bis 33 km/h. Er schließt auf, grüßt … und hängt sich in einem durch das Gepäck sicher nicht allzu kleinen Windschatten. 10 Kilometer ziehe ich ihn durch die Gegend, bevor wir uns im nächsten Ort trennen.

Noch ist mir nicht klar, daß Cap d’Agde auch der Ort sein wird, an dem ich den Rest des Tages verbringe, ein paar Kilometerweiter wollte ich noch, an der Küste folgen endlose Strände. Ich fahre nach Agde hinein, suche gerade den Weg wieder hinaus, da höre ich hinten unter mir ein lautes „Zinggg“, als ich die Bremse betätige, dann kurzes rhythmisches metallisches Kratzen, dann ist ersteinmal alles normal. Ich teste die Bremse, sie geht noch. Der Bremszug war es also nicht. Rauf auf den Weg am Straßenrand, das Hinterrad untersuchen. Eine Speiche baumelt locker vor sich hin, gebrochen unten neben dem Zahnkranz. Das mateallische Kratzen entstand, als sich die Reste der Speiche am Zahnkranz verbogen. Es ist ein mühsames und langwieriges Stück Arbeit, den Speichenrest zu entfernen. Eine Ersatzspeiche habe ich nicht mit, bin ich doch in einem Land voller Fahrradläden unterwegs, ich würde ohne großes Werkzeug ohnehin nur eine Rollspeiche eingesetzt bekommen, für alles andere muß der Zahnkranz ab. Dummerweise ist Sonntag. Mit dem schweren Gepäck erkläre ich die Fahrt für heute für beendet. Die endlose Suche nach dem besseren Strand wurde durch technischen K.O. entschieden.

Vorsichtig rolle ich zum Centre Ville, der Stadtmitte, gönne mir etwas zu trinken. Dann geht es weiter zum Strand. Supermärkte und auch die kleinen Strandgeschäfte haben hier auch sonntags geöffnet. Und so komme ich endlich zu einer Badehose (und Badeshorts), die ich am Strand auch sofort einweihe. Mein ersehntes Bad im Mittelmeer. Mein MIttagsschläfchen im Sand wird durch eine Wolke und drei Tropfe Regen jäh unterbrochen, ich flüchte mich an die Strandpromenade, wo ich bei einem großen Eisbecher auf die Rückkehr der Sonne warte. Anschließend suche ich mir noch ein Hotel, so daß ich nicht mit all dem Gepäck am Strand stehe. Eigentlich wollte ich campen, aber dann bleibt das Problem, wohin mit den Taschen?

Den Nachmittag verbringe ich am Strand, dann mache ich mich im Hotel frisch und gehe rüber zu Promenade. Vorhin war dort laute Musik, Neonlicht, Essensdüfte . jetzt um halb neun ist hier nichts mehr. Nach etwas suchen finde ich eine offene Pizzeria. Zuerst werde ich eine Weile ignoriert, später gibt es dann doch noch die Karte und das Essen kommt dann auch rechnt schnell.

Auf dem Tacho stehen 42km.

Südwest 2011: Mittelmeer. Wahnsinn.

Samstag, 24.09.2011

Eigentlich liegen heute nicht viele Kilometer vor mir. Keine 80 bis nach Grau du Roi, wo ich auf die Küste stoßen will. Dennoch bin ich zeitig wach, dehne das Frühstück nicht alzu sehr aus und bin um 09:30 Uhr auf der Piste. Heute ist der große Tag: Aus eigener Kraft ab Berlin das Mittelmeer erreicht haben.

Die Temperatur ist schon morgens bei 20°C und steigt, obwohl heute die Sonne kaum scheint. Erst ein Dunstschleier, dann zunehmend dunklere Wolken verdecken den Himmel. Aber das kann meine Stimmung nicht trüben, nach Regen sieht es nicht aus und beim Fahren ist es ganz angenehm, wenn einem einen Tag mal nicht die Sonne auf den Schädel brennt. Den Fahrspaß trüben für die ersten 40km allerdings die stark befahrenen Straßen. Kein Drängeln oder Hupen, keiner, der einem das Recht abspricht, sich mit dem Fahrrad auf der Straße zu bewegen. Aber die Überholmanöver werden merklich enger und nervöser, wenn es voll wird auf den Straßen.

Nach einem kurzen Anstieg zeigt der Höhenmesser runf 90 Meter an und ich weiß, ab jetzt wird es eine Weile bergab gehen und dann topfeben werden. Ein gutes Gefühl. Ich komme gut voran. Die Fahrt bis Vauvert hat bis auf einen kurzen Blick über die Ebene allerdings nicht viel zu bieten. Ich umgehe Nimes und Montpellier und biege in Vauvert von der stark befahrenen D-Straße auf die Gallician Veloroute ab. Über einige Kilometer bin ich so fernab des Autoverkehrs, danach geht es auf wenig befahrene Straßen, die durch ein Gebiet führen, daß sich von den Everglades im wesentlichen durch die Abwesenheit beißender Reptilien zu unterscheiden scheint. Kilometerweit geht die Straße geradeaus, bis ich mich plötzlich zwischen Wein- und Olivenplantagen und großen Feldern mit Gemüse wiederfinde.

Das ist schön anzusehen, birgt aber ein Problem: Als freundlicher Radfahrer möchte man weder Nutzpflanzen noch anderer Leute Garten vollpinkeln. Und so bemühe ich mich, das Problem durch Schwitzen zu lösen, was erstaunlich lang funktioniert. Ich gönne mir sogar eine Pause an einem der diversen Obst- und Gemüsestände.

Dann geht es nach Grau du Roi rein. Meine Route endet auf der Mole – eigentlich. Irgendeine Veranstaltung sorgt dafür, daß diverse Straßen voll oder gesperrt sind – und die Schwenkbrücke ist offen und bewegt sich während meiner Wartezeit nicht. Irgendwann fahre ich zur anderen Brücke zurück, zur Mole wäre es jetzt ein großer Umweg und so stoße ich ein kleines Stückchen weiter kurz vor La Grande Motte auf den Strand. Ich schiebe die Speedmachine durch den Sand – und blicke aufs Meer. Es ist fast unwirklich. Ich stehe einige Zeit da, bevor ich endlich meine Radlerhose und die Schuhe und Socken ausziehe und meine Beine ins Mittelmeer tauche.

Das Wasser ist kühl, aber trotzdem brauche ich noch eine Badehose. In den kommenden Tagen wird das Wetter sonniger und wärmer und das lasse ich mir nicht nehmen. Im nächstgelegenen Laden werde ich alerdings nicht fündig. Dafür komme ich auf dem Weg an der Küste entlang an einem Fahrradladen vorbei, wo ich mir Kettenschmierung (meine ist alle) und einen neuen Schlauch für hinten kaufe. Sicher ist sicher.

Der Weg führt mich hinter den Dünen entlang, irgendwann biege ich auf ein kurzes Stück direkt am Strand ab, nicht asphaltgiert, aber fahrbar und mit einem weiten Blick über den Küstenbogen. Dann geht es auf einen (leider durch Bauarbeiten unerwartet miesen) Weg, der am Kanal, der mitten durch die Wasserfläche hinter(!) dem Strand verläuft, nach Sete führt.

Sete ist dann auch mein heutiges Ziel. Ich folge einer Hotelempfehlung via Twitter in La Corniche. Von hier sind es nur noch ca. 160km auf der von mir gewählten Route bis Perpignan, von dort folgen Girona und Barcelona. Das wäre alles in zwei Tagen zu tun, aber ich reduziere meine Kilometerleistungen ab jetzt und werde einige Tage länger brauchen.

Auf dem Tacho stehen 133km.

Vor mir das tiefe Schwarz der nächtlichen See, am Horizont die Lichter eines großen Schiffes, die langsam kleiner werden, neben mir streift der Strahl des Leuchtturms von Sete durch die Nacht. Die Brandung rauscht, wenn sich die Wellen an den Felsen unter mir brechen. Eine warme Brise weht mir ins Gesicht. Es ist schön. Ich könnte heulen vor Glück.

In zwei Wochen bin ich von Berlin, von meiner Haustür, bis ans Mittelmeer gefahren. Aus eigener Kraft. Jetzt sitz ich hier und kann es kaum fassen. Hinter mir liegen über 1800km. Ich hatte viel Glück mit dem Wetter und die Strecke, die ich ausgesucht habe, hat sich als sehr gut erwiesen. Die Zwischenbilanz nach zwei Wochen könnte nicht besser ausfallen.

Ab jetzt wird es ruhiger, ich habe noch etwas über 300km (geschätzt, genau habe ich den Weg noch nicht ausgerechnet) vor mir. Der Wetterbericht verspricht Sonne, über 25°C jeden Tag und viele Kilometer Strand liegen noch an meinem Weg.

Südwest 2011: Liegeradler unter sich

Freitag, 23.09.2011

Zuerst ist es noch etwas kühl im Zelt, doch das gibt sich schnell, als ich mich aus dem Schlafsack schäle. Marcel und Jonathan sind auch gerade wach geworden und so sortieren wir uns ersteinmal zum Frühstück. Wir sind gerade fertig und mit dem Packen und Abbauen der Zelte beschäftigt, als uns eine Dame heißen Kakao bringt – es müsse doch kalt sein! Kalt ist es nicht mehr wirklich, aber wir nehmen dankend an.

Bevor es losgehen kann, fällt mir noch ein niedriger Luftdruck am Hinterreifen auf, ich schiebe das aber darauf, daß ich schon seit Berlin nicht mehr recht zum Nachpumpen gekommen war – der Nachteil langer Radwege abseits von Straßen ist, daß man so selten an Tankstellen vorbeikommt. Und für die Handpumpe bin ich doch oft zu faul. Also messe ich dem keine größere Bedeutung bei, pumpe etwas nach und auf geht es. An der nächsten Tankstelle finden wir eine Möglichkeit, wenigstens auf 5 Bar aufzufüllen, die ich dankbar nutze. Der Voderreifen hatte noch 5 Bar, dem konnte ich dort nichts Gutes tun.

Eigentlich hatte ich überlegt, heute eine Etappe von mehr als 150km einzuschieben, aber es ist spät geworden bei der Abfahrt, jetzt bremst uns auch noch ein weiteres Stück Schotterweg, wo der Via Rhona Radweg noch nicht ganz fertig gestellt ist. Nach gerade einmal 25km halten wir an, um ein zweites Frühstück zu nehmen. Anschließend guter Radweg, dann wieder Schotter, wilde Kurven und dann das Einbiegen auf die D86.

Damit ist für mich die Zeit gekommen, von den beiden Jungs Abschied zu nehmen, ich will eine Schippe drauflegen und heute wenigstens noch hundert drauflegen, so daß abends ca. 130 bis 140 Kilometer auf dem Tacho stehen,

auch wenn mir das wegen der Uhrzeit schon fast unrealistisch vorkommt. Ich ziehe los, erstmal bis Montelimar durchtreten ist mein Ziel.

Beim Durchqueren eines Kreisverkehrs 20km weiter kommt mir das Fahrverhalten meiner Speedmachine seltsam schwammig vor. Ein kurze Griff ans Hinterrad verrät: Da ist schon wieder zu wenig Druck drauf. Ich fahre auf einen Supermarktparkplatz, der ein schattiges Plätzchen bietet und nehme das Problem in Augenschein. Gepäck runter, Hinterrad ausbauen, Schlauch raus. Wegen des Verkehrslärms der nahen Straße ist am Schlauch zunächst nichts zu finden, eine genauere Betrachtung ergibt eine kleine Beschädigung. Ich untersuche den Mantel – und finde einen dicken Glassplitter, der sich offenbar von außen nach innen durchgearbeitet hat, denn von außen war der nicht mehr zu sehen. Ich entferne den Störenfried, ziehe einen neuen Schlauch ein und pumpe – von Hand – auf einen brauchbaren Druck. Dann geht es endlich weiter. Ich hatte fast erwartet, daß mich Jonathan und Marcel überholen.

Kurz vor Montelimar kommt mir ein Liegeradler entgegen, er kommt auf meine Seite rübergefahren. In einem wilden Mix aus Englisch, Deutsch und Französisch unterhalten wir uns. Jean-Marc kommt aus Montelimar und fragt, ob ich den Via Rhona Radweg kenne. Ich bejahe und er erzählt, hier sei ein neues Stück fertig geworden (das in meiner Karte dementsprechend noch nicht verzeichnet ist) und bietet an, mich dorthin zu begleiten. Dankend nehme ich an und wir biegen von der befahrenen Straße ab und folgen kleineren Wegen.

Unterwegs fragt mich Jean-Marc, ob ich Wasser hätte – ich zeige ihm meine leere Flasche und erkläre, das Wasser in der Blase sei schon einen Tag alt. Er erzählt etwas von „gutem Wasser“ und „Source“, dann biegen wir in einen kleinen Ort ab. Dort sprudelt wahrlich eine frische Quelle, unter einem Dach aus diversen Rohren. Menschen aus der ganzen Umgebung kommen vorbei und füllen massenweise Flaschen auf. Auch ich füle meine Flasche auf und nach einem vorsichtigen Kosten entleere ich die Trinkblase und fülle auch diese mit frischem, kühlem Quellwasser.

Dann geht es auf das neue Stück Via Rhona bis Viviere. Ich bedanke mich bei Jean-Marc für die nette Tour, wir sitzen noch kurz in einem Café zusammen – zu essen gibt es um diese Uhrzeit wie üblich leider nichts. Anschließed fahre ich wieder auf die D86 in Richtung Avignon.

Irgendwo beschließe ich, es gäbe eine nette Möglichkeit, nach Gorges de l’Ardeche abzubiegen, eine Strecke, die mir Jean-Marc empfohlen hatte, und so Avignon zu umgehen. Ganz leicht fällt mir die Entscheidung nicht, denn ich wollte eigentlich sur le pont d’Avignon stehen (und das Lied summen…), aber ich habe eh schon lange im Hinterkopf, EV6 und den Via Rhona Radweg nochmal gesondert zu befahren. Weniger Kilometer, mehr Sightseeing – das wäre eine Tour, die ich auch gerne mal zu zweit oder in einer kleinen Gruppe wagen würde.

Ich hatte Bedenken, ob es zu bergig würde auf dem Weg zur Ardeche, aber Jean-Marc hatte mich beruhigt. Ein paar Hügel begegnen mir dennoch, geben damit aber immer wieder den Blick auf das Tal und die umliegende Landschaft frei. Zudem ist jeder Anstieg ein Kredit, den man dem Berg gibt und bei der Abfahrt mit Zinsen zurückbekommt. Irgendwo finde ich auch noch etwas zu essen und auch eine Tankstelle, die Luft bis 9 Bar liefern kann.

Der einzig wirklich bemerkenswerte Anstieg – etwa 160 Höhenmeter bei vier bis fünf Prozent – kommt dann mit Einbruch der Dunkelheit. Aber ich will noch bis zum Ende meiner provisorischen Route fahren, damit ich am nächsten Tag eine schaffbare Strecke bis zum Meer vor mir habe. Und so habe ich im Dunkeln dann eine grandiose Abfahrt mit weiten Blicken über das erleuchtete Tal.

In Remoulins suche ich mir ein Hotel – und stelle erstaunt fest, es sind nichteinmal mehr 100km bis zum Meer, nur noch 20km bis Nimes. Ich bin weiter gekommen, als ich dachte.

155km stehen auf dem Tacho.

Südwest 2011: Via Rhona

Donnerstag, 22.09.2011

Kühl, aber sonnig begrüßt mich der Morgen vor dem Hotelfenster. Ich genieße mein Frühstück, diesmal gibt es zu den rohen Eiern eine Maschine, die nach 10 Minuten Benutzung aus kalten Glibber warmen Glibber produzieren kann. Dann geht es los.

Zunächst auf der D-Straße nach Lyon. In der Stadt selbst wechsle ich auf die andere Seite der Saone, will an den Zusammenfluß von Rhone und Saone, was mir aber wegen Baustellen nicht gelingen mag. Dann geht es weiter auf den in der Karte angekündigten Radweg Via Rhona. Dazu durchfahre ich ersteinmal ein Gewirr stark befahrener Ausfallstraßen, die in einem Gewirr von Kraftfahrstraßen enden. Als ich aus purer Verzweiflung, weil ich weder vor noch zurück finde, eine dieser Autobahnähnlichen Straßen benutze, stelle ich fest, daß ich nichteinmal hier angehupt werde – der durchschnittliche Franzose überholt seelenruhig mit großzügigem Abstand.

Dann erreiche endlich den Radweg. Das heißt, ich erreiche einen Weg, der nach kurzer Zeit in einer Baustelle endet, die Umfahrung ist mindermäßig ausgeschrieben und geht über übelsten Schotter. Bis zum eigentlichen Fernradweg, der sich als übler Schotterweg zwischen Rhone und Industrieanlagen durchzwängt. Nachahmern empfehle ich die westliche Seite der Rhone mit ihren D-Straßen zu nutzen bis zu dem Punkt, wo der Radweg wieder auf diese Seite wechselt.

Zunächst muß ich noch auf den der D-Straße fahren, die zumindest teilweise aber eine Radspur hat, dann geht es endlich wieder auf extra angelegte, schöne Radwege am Ufer der Rhone. Ich kann die Fahrt genießen. Zwischen luß, Weinbergen und Gemüseplantagen kommt Urlaubsstimmung und Mittelmeerfeeling auf.

Als ich ohnehin gerade eine Pause machen will, sehe ich am Wegesrand zwei Räder. Ortlieb-Taschen, Lichtanlage … das können nur Deutsche sein. Und ich hab recht, ich treffe Jonathan und Marcel, die der Rhone von der Quelle zur Mündung folgen. Wir fahren fortan zusammen. Einige male ist der Radweg unterbrochen, die Route führt über mehr oder wenige stark befahrene Straßen – der Via Rhona Radweg ist noch in der Realisierungsphase, fernab der Fertigstellung, wenn man aber Karte und Realität vergleicht, scheinen in erheblicher Geschwindigkeit neue Abschnitte dazuzukommen.

Kurz vor Tournon beschließen wir, den Abend gemeinsam zu beschließen, also geht es heute ins Zelt. Zur Versorgung Gehen wir noch Einkaufen, dann geht es zum Campingplatz. Beim Kochen gesellt sich noch Robin aus Paris zu uns, der hier in der Gegend Trauben für den berühmten Wein erntet und davon auch welche mitgebracht hat.

Es stehen 135km auf dem Tacho.

Südwest 2011: Mediterrane Einflüsse

Mittwoch. 21.09.2011

Schon morgens scheint die Sonne. Ein vorsichtiges Öffnen des Fensters verrät: Es ist kühl draußen. Aber freundlich und trocken, also alles in bester Ordnung. Ich packe meine Sachen, dann schlendere ich zum Frühstück, das für französische Verhältnisse erstaunlich vielfältig ausfällt. Wurst, Käse, Müsli … und Eier. Über deren kühle Temperatur wundere ich mich noch, beim Öffnen dann die Erkenntnis: Die Pfännchen auf der Kochplatte ein kleines Stück neben den Eiern hatten ihren Sinn. Die Dinger sind roh…

Gegen halb zeh n steht die Speedmachine bepackt vor dem Hotel und es kann losgehen. Das Garmin berechnet mir den Weg zum Eingang des Bahnradwegs, der mich heute für einige Kilometer begleiten soll, nach einer kurzen Fahrt, bei der ich nocheinmal Chalon sur Saone streife, biege ich nach links auf den besagten Radweg ab.

Guter Asphalt erwartet mich und die für Bahnradwege typische Streckenführung: Weiter Kurven, lange, gerade Streckenabschnitte und eine nivellierte Route. Zwei Dinge fallen mir, verwöhnt vom EV6, allerdings auf: Viele Straßenüberquerungen, vor denen die Fahrt ständig mit engen Drängelgittern gebremst wird und ein ständiges leichtes (maximal 1%) auf und ab. Der Weg verläuft oft zwischen Bäumen oder gar in einem Graben, so daß über einige Streckenabschnitte wenig von der umliegenden Landschaft zu sehen ist. Im Gegenzug bietet er allerdings Beschilderungen zu allerlei Orten am Wegesrand und auch die Durchfahrten durch die ehemaligen Bahnhöfe sind sehr reinzvoll. Immer wieder treffe ich andere Radler, neben einigen Rennradlern sind hier aber vorwiegend Familien unterwegs, ab und zu auch mal Radwanderer.

Und so begegnet mir, bei einer Fotopause von hinten aufkommend, auch irgendwann Antoine, der auf einem Stahlrandonneur unterwegs ist. Wir können uns bestens auf englisch unterhalten und beschließen, zusammen zu fahren. Antoine will nach Macon, wo der Bahnradweg ohnehin endet, ich will noch ein paar Kilometer darüber hinaus. Bei einer Pause versorgt mich Antoine zudem aus seinem reichhaltigen Picknick-Angebot, da ich kurz zuvor gerade mal wieder an einer geschlossenen Terrasse gescheitert war (öffnet erst um 15 Uhr, aber ohnehin nicht am Mittwoch … erfährt man, nachdem man dem Aufsteller am Wegesrand gefolgt ist).

Ab irgendeinem Punkt folgt der Weg wohl nicht mehr der Original-Bahnroute, des es kommen enge Kurven und immer wieder Stücke mit Steigungen, die es in sich haben. Neben Autobahn und neuer Bahntrasse, auf der die TGVs mit hoher Geschwindigkeit vorbeirauschen, geht es durch Gärten und Weinbaugebiete. Nicht nur das zunehmend warme Wetter, sondern auch die Bauweise der Häuser, der Flair der Orte wird langsamer mediterran.

Wir durchqueren einen langen Tunnel, dann sind wir auch bald vor kurz vor Macon. Der Bahnradweg geht offenbar weiter, allerdings nicht asphaltiert. Da Antoine mit seinen dünnen Reifen dort nicht fahren will, begleite ich ihn (entgegen meiner ursprünglichen Routenplanung) auf kleinen Straßen nach Macon. Er verbingt dort seinen Nachmittag, bevor er abends privat ein kleines Stück weiter unterkommt, ich biege auf die D-Straße in Richtung Süden ab.

Die parallel laufende Autobahn schluckt eine Menge Verkehr, sie ist aber weit genug weg, um nicht mehr wahrnehmbar zu sein. Bei Villefranche wechsle ich wieder auf die Westseite der Saone – und befinde mich plötzlich im dichten Stadtverkehr. Der Raum Lyon wirft seine Schatten voraus. Von der Zeit her reicht es heute nicht mehr, um sich noch an Lyon vorbeizuschmuggeln und so beschließe ich, demnächst die Augen nach einem Hotel offen zu halten. In Qincieux werde ich schließlich fündig. Ich komme zwar nicht unbedingt billig unter, aber das Hotel Tante Yvonne bietet gleichzeitig ein hervorragendes Restaurant. So beschließe ich meinen Abend mit allerbester französischer Küche.