Frankreich 2014: Ruhetag Biarritz

Dadurch, daß ich in den letzten Tagen etwas kiometer gut gemacht hatte, hatte ich die Chance auf einen weiteren Ruhetag. Biarritz bot sich an: Eine wunderschöne Stadt mit guter Infrastruktur und quasi am Ende des zweiten Abschnitts der Tour, das Tor zu den Pyrenäen.

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Das Hotel hatte ich zentral gewählt in guter Nähe zu Innenstadt und Strand, alles war fußläufig zu erreichen, ich konnte die Speedmachine stehen lassen und meinen Beinen einen Tag Ruhe gönnen. Den Morgen begann ich mit dem Frühstück, ich wollte ja schließlich sehen, ob es taugt, um danach aufs Rad zu steigen (tut es). Der nächste Schritt: Ich packte mein gesamtes Campingzubehör (Zelt, Kocher, Unterlage etc.) zusammen und schickte es per Post nach Hause. Ich wollte leichter über die Pyrenäen. Ich bin jetzt bei ca. 16kg mit Notfallausrüstung wie Tarp etc., falls es mich doch mal irgendwo im Nichts mit Regen erwischt oder ich nicht mehr rechtzeitig einen Ort erreiche, wobei ich mich hüten werde, den Fall zu provozieren.
Anschließend machte ich einen kleinen Stadtrundgang. Der Tag war sehr ruhig. Ich ruhte mich noch etwas im Hotel aus, nutzte das WLAN aus um Bilder hochzuladen, ging nachmittags an den Strand zum Baden und betrachtete nach einem guten Abendessen den Sonnenuntergang.

Frankreich 2014: Biarritz – Saint-Jean-Pied-de-Port

Wegen der geänderten Gepäckausstattung dauerte das Packen heute morgen etwas länger. Anschließend ging es zum Frühstück dann wieder auf die Straße. Der weiter nach vorne und unten gewanderte Schwerpunkt am Rad machte sich beim Fahren positiv bemerkbar – einziger negativer Effekt: Eine Bremsung in der Abfahrt nur mit der Hinterradbremse wird durch die gesenkte Belastung des Hinterrades deutlich schwieriger.
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In Biarritz fuhr ich zunächst noch einen kleinen Bogen zur Rocher de la Vierge, um noch ein Foto mit Rad und mir am (fast) weitesten Punkt von zu Hause zu machen. Zudem sparte das verkehrsreich Stadtstraßen und ein paar Steigungen innerhalb der verwinkelten Altstadt. Die weitere Etappe nach St.-Jean-de-Luz offenbarte einmal mehr, wie die Höhendaten der Karte und die Realität völlig verschiedene Eindrücke vermitteln können. Nach der Planung wäre ich von einer vielleicht welligen Fahrt ausgegangen, der Radweg führte aber gerne mal zum Strand runter und auch wieder auf die Felsküste hoch, das härteste war eine frisch gebaute 18%-Rampe. Ich bekam ein gutes Intervalltraining statt eines gemächlichen Einrollens.
In St.-Jean-de-Luz umkurvte ich den Markt, machte Halt am Bahnhof um die Rückfahrt zu organisieren und dann ging es in Richtung der nun deutlich sichtbaren Berge. Zunächst sanft, mir kamen viele Rennradler entgegen, die ihre Bergetappen bereits hinter sich hatten. Dann ging es zum ersten Pass hinauf – der Heilige Ignazius ist vermutlich nur zum Einstimmen ausgeschildert, Starthöhe 17 Meter, Passhöhe 169 Meter, 3 Kilometer mit 5%. Easy, selbst ohne Wind bei 27°C und vom Ozean feuchter Luft. Zur Belohnung gab es trotzdem eine kleine Abfahrt.

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Stand ich wenige Kilometer vorher noch am Strand des Atlantik und hörte die Brandung an die Felsen schlagen, so erinnerte die Umgebung nun plötzlich eher an die Schweiz und Heidi-Filme. Kuhglocken, weiße Häuser mit alpinem Flair (und mediterranem Einschlag). Die Berge vor mir wurden auch merklich höher und steiler. Zum Glück hatte ich in meiner Routenplanung die Pässe als Wegpunkte markiert, so daß ich beim Abfahren meiner Tracks die Restkilometer bis zum Pass sehen kann. Das kann zwar manchmal etwas nervig sein, aber mir als nicht so geübtem Bergfahrer erlaubt es vor allem abzuschätzen (zu lernen), was an Strecke noch schaffbar ist und was nicht. Aber zwischen diesem Punkt und der Abfahrt vom Col de St.-Ignace standen noch zwei weitere Pässe, die es etwas ernster meinten im Höhenprofil.
Als nächstes stand der Otxondo an. Die Straße führte in meist sanften Kurven auf 602 Meter hoch, Steigungen zwischen 5% und 8% waren gut zu fahren. Zwischendurch zogen ein paar graue Wolken über die Bergkämme, das schonte mich zumindest zweitweise vor der Sonne. Das laute Donnern unter mir im Tal war aber etwas unheimlich, es beschränkte sich aber auf einen einzigen Donnerschlag. Auf dem Gipfel war es mit 23°C dann auch Bitterkalt, so daß ich mir für die Abfahrt etwas wärmeres überzog. Unten im Tal, ich war mittlerweile in Spanien, besorgte ich mir etwas zu essen. Das Rad führte draußen draußen zur Dorfversammlung. Gestikulieren, Diskutieren, Zeigen – und am Ende fotografieren. Zumindest aber nicht anfassen.

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Danach ging es zum Izpegi hinauf. Der Track auf dem GPS sah aus, als hätte jemand seine Wolle beim Stricken fallen gelassen. Die Steigung hielt sich meist in Grenzen und so liess auch dieser Pass sich gut fahren, bei blauem Himmel und Sonne und wieder 27°C auf dem Thermometer. Von den wenigen überholenden oder entgegen kommenden Autofahrern gab es diverse die grüßten, anfeuerten, Daumen hoch zeigten – ich empfand das als angenehm. Ein paar Rennradler kamen entgegen, mit mir in die gleiche Richtung fahrend traf ich erst bei einer kurzen Pause am Pass welche.
Die Abfahrt ins Tal war großartig. Kaum Verkehr, meist gut einsehbare und fahrbare Kurven bei dezentem Gefälle.
Ich fuhr dann noch etwas weiter, stelllte aber fest, daß der nächste Pass 900hm über mir (der erste 1000er!), 28km vor mir und dazwischen nur noch ein größerer Ort war. Um 17:30 Uhr definitiv Zeit eine Unterkunft zu suchen, denn die Steigung dürfte einige Zeit in Anspruch nehmen. Und ich weiss noch nicht, wie spät man hier ankommen darf, um noch ein Zimmer zu kriegen.
Im Ort sind viele Hotels auf Rennradler eingestellt. Die Abstellmöglichkeit für das Rad wird ohne Nachfrage gezeigt (meist ein abgeschlossener Raum in der Nähe der Rezeption). Die Preise variieren stark. Aufpassen muss man mit den Pilgerherbergen. 35€ für eine Nacht im Vierbettzimmer mit drei Fremden können da schonmal locker vorkommen. Für 10 bis 20 Euro mehr gibt es ein Hotel.

Frankreich 2014: Saint-Jean-Pied-de-Port – Laruns

Als um sieben Uhr der Wecker klingelte, war es draußen noch dunkel. Aber man konnte vor dem Fenster die Nebelschwaden sehen. Als es langsam hell wurde, war es draußen feucht und grau vom Nebel. Der Mann vom Hotel beruhigte mich: “Fog is mean nice weather, very hot today!”.

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Er gab mir noch mehr wertvolle Informationen auf den Weg. Es gäbe auch in den kleineren Orten Hotels, speziell dort, wo die Pilger seien. Die seien auch in der Regel bis nach Sonnenuntergang besetzt. Voll würde es nur m Wochenende mit den Motorradfahrern. Zu meiner gewählten Route meinte er, die sei schön. Die weiter im Norden hätte ja keine ordentlichen Pässe. Und die Pyrenäen seien doch für Radfahrer besser als die Alpen – dort würde man ja teilweise 50, 60 Kilometer durchs Tal fahren, hier ginge es immer gleich wieder rauf. Der kennt seine Klientel.
Die ersten Kilometer fuhr ich relativ flach auf einer großen Straße und im Nebel, es war so feucht, daß ich die Brille absetzen musste. Gegen neun Uhr kam die Sonne durch, langsam kam ich etwas höher. Und dann ging es zum ersten Pass hoch. Rauf zum Azuhiko, 1079 Meter. Es handelete sich um eine sehr kleine Straße, auf dem stundenlangen Anstieg traf ich lediglich fünf oder sechs PKW. Der Anstieg hatte es in sich, wo es rauf ging, da meist mit 10% is 16% – zwischendurch dafür immer flach (oder was man nach so einem Anstieg so dafür hält). Und mir wurde klar, daß ich hier bei der Abfahrt extrem aufpassen müsste: Die Straße schmal, keine Leitplanken – und da es keine Zäune gibt hier oben Pferde und Rinder, die unvermittelt auf der Straße stehen können. Oder ihre Hinterlassenschaften.

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Infrastruktur bot der Pass keine, nicht mal ein Schild oben auf dem Pass für das obligatorische Foto. Dort stand ich dafür von den dort lebenden Pferden argwöhnisch beäugt, nach kurzem für ungefährlich befunden und nicht weiter beachtet. Sonst war niemand da. Ich freute mich auf die Abfahrt. Die war allerdings überraschend kurz, da noch ein kleines Pass anstand. Der hatte ein Schild, war aber so klein, daß er mir im Höhendiagramm meiner Planung vorher nicht so aufgefallen wäre, daß ich ihn markiert hätte. Danach kam dann die ersehnte Abfahrt. Kaum Bremsmanöver, relativ sanft und unbehelligt von auf der Fahrbahn stehenden Tieren. Die lagen alle lieber direkt daneben und blinzelten mich in der Mittagssonne müde an.
Im Tal suchte ich mir ein Restaurant für das Mittagessen. Eine kurze Unterhaltung mit ein paar deutschen Motorradfahrern war ganz angenehm – endlich mal wieder ein Plausch in der eigenen Sprache. Dann ging es weiter. Vor mir lag der Col de Marie Blanche. Bis dahin hatte ich ein Stück zurückzulegen, auch hier ging es immer ein wenig auf und ab. Und dann stand ich um 16 Uhr am Eingang des Passes.

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Infrastruktur für Radfahrer: WC und Wasser am Fuß, eine Beschreibung des Profils und jeden Kilometer mit der aktuellen Höhe, der durchschnittlichen Steigung für den kommenden Kilometer und den Restkilometern bis zum Pass. Durchschnittssteigung knappe 8% auf 9 Kilometer – mit dem kleinen Haken, daß es unten mit 2% losging und nach oben immer steiler wurde. Nicht spektakulär, keine Serpentinen, einfach nur Wald, Tal und: steil. Die letzten 4km waren zwischen 10% und 13% angesiedelt. Ich brauchte insgesamt etwa eindreiviertelstunden bis oben – und war dort kaum zu mehr als einer Art Urschrei fähig. Ich bekam Applaus von einer Gruppe Motorradfahrer.
Die Abfahrt begann sanft, ich machte noch ein paar Fotos – und dann kam der lustige Teil. Leider war ich so doof und liess beim Losfahren noch ein Auto vorbei – hinter dem ich dann die Abfahrt über festhing. Der Autofahrer liess sich aber auch nicht lumpen und gab sein bestes. Auf die Idee, mich einfach mal an passender Stelle überholen zu lassen kam er leider nicht.
Im Tal suchte ich dann die nächsten Orte. Der erste war klein, bot nichts, ich suchte auch nicht speziell, denn es kam ein größerer vor dem nächsten Pass, der jetzt ca. 23km und  1300hm vor mir liegt  – als “Frühstück”. In Laruns traf ich zuerst auf ein Gite d’Hote, das aber voll war. Die Dame bemühte sich aber am Telefon und fand ein anderes im Ort, daß noch ein Platz für mich hatte. Sie meinte: Ziemlich voll am Wochenende. Mir schwebten schon Horrorvorstellungen von Nachtfahrten oder Übernachtungen auf dem Marktplatz vor Augen. Allerdings bieten die Orte hier in der Regel eine Menge Unterkünfte, voll sind zuerst die leicht zu findenden an der Straße. Nach den anderen muss man fragen – suchen war mit meinen Bein kaum noch eine Option.
Die Unterkunft war schön, ich gönnte mir abends noch Gallettes und Crepes und ein Schlückchen Cidre im Ort.

Frankreich 2014: Laruns – Sainte-Marie-de-Campan

Kurz vor meinem Wecker weckten mich Geräusche aus dem Nebenzimmer. Ich nutzte die Zeit einfach aus und liess mir etwas mehr Ruhe beim Packen meiner Taschen. Dann ging ich zum Frühstück, wo ich den 2-jährigen englischen Wirbelwind, der mich geweckt hatte, dann kennenlernte.

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Draußen schien die Sonne auf die Gipfel, im Tal war es noch kühl und dunkel. Gerade einmal 12°C als ich mich auf den Weg machte. Als erstes stand der Col d’Aubisque auf dem Plan. Gute 1200 Höhenmeter lagen auf den ersten 17km vor mir. Wie immer fing es sanft an und wuchs sich dann mächtig aus. Gefährlich wird es hier immer, wenn die Serpentinen aufhören. Je höher ich kam, desto öfter kam ich in die Sonne und desto wärmer wurde es. Aufgrund der Steigung hatte ich mich der oberen Schichten allerdings schon bald entledigt.
Am Col d’Aubisque herrschte schon regerer Verkehr als bei den letzten Pässen. Im Wesentlichen war das allerdings der Tatsache geschuldet, daß am Wochenende Massen von spanischen und französischen Motorradfahrern über die Gegend hereinbrechen. Das Verhalten der Motorradfahrer ist respektvoll und freundlich – was der Tatsache allerdings keinen Abbruch tut, daß die meisten Motorräder einfach ziemlich laut sind und Geschwindigkeitsunterschied bei Radfahrern regelmäßig für einen Herzkasper sorgt.
Rennradler überholten mich am Aubisque wenige – aber immerhin sah ich einige. Entgegen kamen hier allerdings fast keine. Die Auffahrt zum Col d’Aubisque bot einige nette Ausblicke auf die wunderschöne Natur, sonderlich spektakulär war sie jedoch nicht. Deshalb nicht weniger anstrengend.
Als ich vom Aubisque runter rollte fiel mir schnell auf, daß es nicht allzu weit runter ging und bald wieder bergauf. Der nächste Pass fehlte in meiner Planung, weil er eben keine lange Auffahrt bot, es war der Col de Soulor. Hinter diesem bot sich dann aber doch die ersehnte Abfahrt in Richtung Argeles Gazost – und damit in Richtung Mittagessen.

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Im Ort fand ich denn auch eine ansprechende Plat du Jour (Tagesgericht), die mir die nötige Energie für den kommenden Aufstieg auf den Tourmalet liefern sollte. Ich füllte die Vorräte an Wasser auf und dann ging es zunächst mal  auf einen netten Bahnradweg, der mir bei der Planung is Auge gesprungen war. Fast flach und sehr gut ausgebaut bot dieser nach dem Mittagessen eine gute Möglichkeit zum Einrollen.
Als ich den Bahnradweg verließ, stand ich plötzlich vor einem Geröllhaufen – die von mir gewählte Straße bzw. Brücke war offenbar einer Naturgewalt aus vielen Steinen und jeder Menge Wasser zum Opfer gefallen. Ich suchte mir also einen kleinen Umweg und dann ging es erstmal – meist sanft – neben einem reißenden Bergbach in einer tiefen Schlucht hinauf zum Fuß des Tourmalet.
Ich füllte meine Getränkevorräte wiederum nach, mixte Mineraldrinks zusammen, dopte mich mit einer Cola. Und dann ging es auf, den Tourmalet zu erobern. 18 nicht allzu flache Kilometer standen vor mir. Die Mottorraddichte hatte erneut zugenommen. Von oben, vom Paß kamen massenweise Rennradler, die offenbar einer Veranstaltung angehörten, denn sie hatten Startnummern. Und es kamen massig alte und neue Sportwagen, auch Teil einer Veranstaltung.
Inmitten der Rennradler war ein einzelner Handbiker – ebenso mit Startnummer. Ich muss sagen: Voller Respekt. Mit dem Handbike auf so einen Pass und mit dem schmalen Dreispurer dann dort auch wieder runter, das ist nicht ohne!
Ich schlich mich langsam und mit ein paar Pausen die Passstraße hoch. Meist waren es sieben bis acht Prozent, zwischendurch kurz weniger, aber auch mal etwas mehr. Wesentlich über elf Prozent ging es nicht hinaus. Aber da es der dritte Pass des Tages war und durch die schiere Länge der Anfahrt zehrte der Tourmalet doch merklich an meinen Kräften. Immerhin war ich dabei, heute einen Tag von 100km und 3000 Höhenmetern zu bewältigen. Und das nicht auf einem 6,7-Kilo-Carbonrenner ohne Gepäck.

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Bei einem Drittel der Strecke kam ein Ort, wo ich kurz pausieren konnte (wieder mit Cola-Doping) und bei Dreiviertel kam noch eine Bar, die mir das gleiche ermöglichte. Noch 2-3 kurze Halte, wo ich fotografierte oder mal eben etwas abkühlte – Temperaturen um 24°C und ständige Sonne machen sich bei so einer Anstrengung noch zusätzlich bemerkbar. Der letzte Kilometer wird noch einmal richtig steil (und teilweise wegen Baustelle oder Schafen recht eng), aber wenigstens ist die gesamte Auffahrt mit frischem sehr glattem Asphalt neu gemacht.
Auf dem letzten Kilometer merkte ich aber, daß ich am Ende meiner Kräfte war, viel war nicht mehr drin. Ich stolperte oben auch mehr vom Rad als daß ich abstieg. Ich zog mir zwei Schichten Klamotten über für die Abfahrt (im Schatten des Berges) und machte eine Verschnaufpause, um wenigstens im Kopf fit für die Abfahrt zu sein.
Dann ging es runter. Schnell, kurvig. Zweimal hielt ich kurz an, um nach Reifen und Bremsen zu sehen – einfach zur Sicherheit und vielleicht weil ich auch eine kurze Pause brauchte, der Fahrtwind bei 70km/h ist auch bei 20°C ziemlich kühl. Als ich feststellte, daß es bald nach der nächsten Abzweigung für mich schon wieder bergauf gehen würde und weil die Kälte meine Beine, die ich bei der Abfahrt ja nur wenig bewegte, auskühlte suchte ich mir das nächstbeste Hotel mit Versorgungsmöglichkeit.
Ich hätte eine Pause gebraucht vor dem Essen, aber zu mehr als zum Duschen war die Zeit nicht da. Und so musste ich mir erst langsam etwas Appetit anessen. Ohne Abendessen wäre nach diesem Tag nicht gegangen.

Frankreich 2014: Sainte-Marie-de-Campan – Bagnères-de-Luchon

Das Hotel bot kein allzu frühes Frühstück, erst am 08:30 Uhr, aber das kam mir entgegen. Nach dem harten Tag zuvor, musste ich es heute nicht allzu  früh und heftig angehen. Zwei bekannte Tour-de-France-Pässe standen mir ja ohnehin noch bevor auf den ersten paar Kilometern.

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Vom Hotel aus gab es erstmal eine kleine Abfahrt in den Ort, dann ging es zunächst sanft aufwärts, bevor sich der erste Pass vor mir erhob, der Col d’Aspin. Die bekannten Schilder für Radfahrer neben der Straße, die jeden Kilometer die aktuelle Höhe, die Passhöhe und die durchschnittliche Steigung auf dem nächsten Kilometer ankündigen. Wobei das mit der durchschnittlichen Steigung ziemlich obsolet ist. Durchschnittlich 3,5% helfen mir wenig, wenn es die nächsten 200 Meter erstmal leicht bergab geht und dann 9% auf dem Programm stehen. Aber nun gut, meistens geht es ja einfach nur rauf bei den Pässen hier.
Auf dem Col d’Aspin waren viele Rennradler unterwegs, viele auch in meine Richtung, die mich auf ihren leichten Carbongeschossen dann zügig überholten. Erstaunt hat mich die für Rennradler auffällige Quote an Cycling Caps. Einen Rennradler konnte ich überholen und vor ihm auf dem Pass ankommen. Stahlrad, Heldenkurbel und vermutlich Teilnehmer der Tour de France. 1910. ich überholte ihn unten und er kam vielleicht 7-8 Minuten nach mir auf dem Pass an. So fit möchte ich in dem Alter auch mal sein. Alle Achtung!

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Im Rückspiegel und auf meiner Regenalarm App kündigte sich allerdings schon an, daß heute das Wetter nicht so hübsch sein würde. Oben auf dem Pass machte ich das obligatorische Foto. Dann war ich damit beschäftigt, eine hochspezialisierte Kuh zu bändigen. Diese wartete in der Nähe des Schildes. Sie liess sich bereitwillig mit allen Touristen fotografieren, liess sich streicheln und schaute brav Richtung Kamera. Ihre eigentliche Obsession waren aber Fahrräder. Also nicht die Fahrräder an sich. Sobald ein Fahrrad unbeobachtet war, weil der Besitzer jemanden suchte, der das Foto mit ihm und dem Schild schießen könnte, trottete die Kuh zum Fahrrad und leckte genüßlich mit ihrer großen Zunge das Salz von Lenker und Sitz. Auch beim Liegerad hatte siie die entscheidenden Stellen schnell identifiziert. So eine Kuh ist relativ groß, schwer und störrisch. Und kräftig. Ich versuchte sie von meinem Sitz wegzuschieben. Sie bewegte sich keinen Zentimeter. Ich redete mit ihr. Nichts. Ich versuchte, sie bei den Hörnern zu packen. Keine Reaktion. Also musste ich irgendwie mein Rad greifen und unter der Kuh weg ziehen. Sie beäugte mich kurz, muhte … und schlich zum nächsten Fahrrad.
Dann setzte der Regen ein. Ich dachte, er käme von hinten und ich könnte ihm schnell wegfahren. Aber zum einen windet sich die Straße, zum anderen schwappt so ein Wetter dann einfach blitzschnell über den Berg. Nach ein paar hundert Metern suchte ich mir eine Stelle unter einem Baum (zum Glück ist die Baumgrenze hier weit oberhalb 1500m) und zog mein Regenzeug über. Mit Brille konnte ich nichts mehr sehen, also nahm ich sie ab. Ohne Brille pieksen die Regentropfen ab 50 km/h fies im Auge. Also starke Nutzung der Bremse. Ohnehin sollte man bei regennasser Straße nicht allzu stark bremsen, also immer sanft die Geschwindigkeit unten halten.
Der Col d’Aspin war voll mit Motorrädern und Wohnmobilen. Erstere grüßten in langen Kolonnen bei der Auffahrt ständig, so daß mir bald der Arm lahm wurde. Zweitere begegneten sich bei der Abfahrt ständig an engen Stellen hinter Kurven und erzeugten einen Stau. Insofern hat mir der Col d’Aspin nicht so gefallen. Spannend warren aber natürlich die ganzen Namen und Sprüche auf der Straße, die Überbleibsel der Tour de France. Deren Geist kann man hier richtig spüren, zumal die Pyrenäen-Etappen bereits seit der Frühzeit der Tour dabei sind.

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Nach der Abfahrt wartete ich den Regen ab, dann ging es ohne Regen und nach nur kurzer Verschnaufpause auf den nächsten Pass, den Col du Peyresourde. Mein letzter Tour de France Pass auf dieser Reise. Denn aus Zeit- und auch aus Konditionsgründen hatte ich beschlossen, in Bagnères-de-Luchon auf meinen spanischen Alternativ-Track mit ein paar Kilometern weniger und vor allem deutlich weniger Höhenmetern abzubiegen. Auf dem Track auf der französischen Seite hätten mich ca. 5000 bis 6000 Höhenmeter mehr in den kommenden 3-4 Tagen erwartet, als auf dem spanischen Track. Das ist in der Zeit für mich kaum oder nur mit sehr großen Strapazen schaffbar.
Oben auf dem Peyresourde lockte eine Crepes-Bude, die offen hatte und mit einer Meute Radfahrer besetzt war. Ich wäre liebend gern dort rein gegangen, allerdings drohte hinter mir diesmal nicht nur Regen, sondern Gewitter. Ich entschloss mich zu einer schnellen Abfahrt auf trockener Straße. Diesmal klappte der Plan auch.
Im Ort strandete ich in einem Blumenfest, nach meiner Umfahrung desselben fand ich trotz der Uhrzeit ein Lokal, wo ich zumindest Brot und Käse ergattern konnte. Als der Regen einsetzte und das Gewitter kam, bot man mir auch gleich ein Zimmerchen zu einem passablen Preis an. Ich nutzte die Chance, denn ein Blick aufs Wetterradar liess Schlimmes vermuten. Regen von mir aus, aber Gewitter in den Bergen brauch ich nicht.