Nach dem Aufwachen schaltete ich zuerst das Netbook ein: Regenradar checken. Und das sah nicht gut aus. Auf breiter Front zog ein Regengebiet von der Nordsee her in meine Richtung. Ich überlegte, nach dem Frühstück in der Bremer Innenstadt den Regen abzuwarten und erst danach loszufahren. Aber zunächst Frühstück. Und Packen. Ich war träge, so packte ich dann erst nach dem Frühstück zusammen – wertvolle regenfreie Zeit verstrich. Das wurde mir aber erst später klar.
Ich fuhr los, starker Wind, kein Regen. Der Wind kam gefühlt eher südlich als westlich. Ich fuhr zunächst in Richtung Bremen Hbf, diesen hatte ich als idealen Ort auserkoren, falls ich doch den Regen abwarten wollte. Ich erwartete die ersten Ausläufer jede Minute. Vor dem Bahnhof ließ ich meine Route berechnen. Und fuhr los. Der Regen begann noch vor der Überquerung der Weser. Und er wurde kurz danach so stark, daß ich mir unter dem nächstbesten Baum die Regenkleidung überzog.
So fuhr ich nach Delmenhorst. Im Zentrum bereitete man ein Stadtfest vor, die meisten waren damit beschäftigt sich oder das Equimpment vor dem Regen zu schützen. Ich setzte mich in eienn gerade öffnenden türkischen Imbiss und bestellte heißen Tee. Ausgewählt hatte ich den Laden wegen der Markise, unter der mein Rad einen trockenen Platz fand, den ich von Innen im Blick hatte.
Der Regen war kaum schwächer, als ich aufbrach. Noch vor dem Verlassen von Delmenhorst stellte ich mich bei einer Tankstelle unter und wollte dort das Ende der Regenfront abwarten – die Tankstelle kannte ich noch von meiner Amsterdam-Fahrt mit Lars. Eine weise Entscheidung, der Regen steigerte sich zu wolkebruchartiger Stärke. Einige Zeit, zwei Croissants, einen Tee und einen Eistee später hörte der Regen aber endlich auf. Fast. Es nieselte noch ein wenig, als ich losfuhr.
Und das sollte sich auch nicht ändern. Niesel, der vom Wind horizontal über die Felder getrieben wurde, mal schon richtiger Regen, dann wieder ganz feiner Sprühregen. Aber immer waagerecht, mal mehr von vorn, mal etwas seitlicher. Der Wind trieb die Feuchtigkeit in jede Ritze. Und daß Regenkleidung auch nicht vor Nässe schützt, sondern im wesentlichen vor dem Auskühlen, bewahrheitete sich auch diesmal wieder.
Und dann der Wind. Zweimal, als ich hinter Baumgruppen vorkam und mich dann eine Böe von der Seite erwischte, machte ich einen Schlenker ins Gras neben dem Radweg. Zum Glück ist die Speedmachine mit Gepäck recht gutmütig, so daß das keine bösen Folgen hatte. Der Weg lag voll mit Ästen und Blättern, die der Wind von den Bäumen gerissen hatte.
30 Kilometer nach Delmenhorst dann endlich Oldenburg. Ich kurvte ziellos durch die Fußgängerzone um ein Lokal zu finden, wo ich Mittagessen konnte und gleichzeitig das Rad an sichtbarer Stelle trocken stand. Während des Essen wurde der Regen mal schwächer, mal stärker. Aber er blieb. Ich versuchte es noch mit einem zweiten Tee nach dem Essen. Keine Chance, der Regen blieb. Als er kurz etwas schwächer wurde machte ich mich auf.
Irgendwo war wohl noch ein Fehler in meinem Routing nach Weener, so fuhr ich “nach Gefühl” aus Oldenburg raus und ließ mir dann die direkte Route nach Weener, wo ich mir eine Unterkunft reserviert hatte, berechnen. Notfalls, so der Plan, könne ich ja immernoch in die Bahn steigen. Aber diesmal wollte ich es schaffen. Und so fuhr ich durch den immer stärker werdenden Regen.
In einer Schutzhütte und bei einer Tankstelle legte ich noch kurz Rast ein, ich war durchnäßt, aber konnte mich warm halten. Der Wind bließ noch immer, bremste mich auf Geschwindigkeiten um die 20km/h herunter, manchmal in Böen auf unter 15km/h.
In Weener wurde ich von meinem Hotel in ein Zimmer im Gästehaus gegenüber umgebucht, kein Problem. Ein Zimmer mit genügend Steckdosen und einer warmen Dusche – und vor allem eischaltbaren Heizkörpern war alles, was ich jetzt brauchte.
Den Morgen startete ich mit einem guten Frühstück, anschließend checkte ich aus und sattelte mein Rad. Leichter Niesel, kaum der Rede wert, versüßte mir die Abfahrt, dieser verzig sich aber – zunächst. Der Weg zur Fähre Räbel war kurz, wenn auch die letzten paar hundert Meter mit Kopfsteinpflaster gespickt waren.
Auf der anderen Elbseite empfing mich der erste Schauer das Tages. Nachdem ich durch Fragen rausgefunden hatte, daß hier das Kopfsteinpflaster noch ca. 4km weitergehen sollte, war mir auch klar, warum radweit den Umweg über den Elberadweg empfahl, was ich dann auch für mich als beste Lösung betrachtete.
Kaum war ich zurück auf der Straße, wurde der Regen etwas stärker. Da aber schon blauer Himmel vorherrschte, entschied ich mich, kurz in der Bushaltestelle abzuwetter, was auch nur wenige Minuten in Anspruch nahm.
Recht schnell ging es weiter, trotz schon leichten Gegenwindes. In Arendsee gönnte ich mir eine kleine Bäckerpause, fuhr dann unten am See entlang und gelangte nur mit einer ungepflasterten Rampe jenseits der 15% Steigung auf die Straße zurück.
Hinter Schmarsau durfte ich dann mal wieder die unberechenbare Reaktion von Pferden aufs Liegerad bewundern. Drei Pferde auf ihrem eingezäunten Stückchen Wiese folgten ihrem Fluchgtinstinkt, übersprangen zwei (allerdings nur ca. 60cm hohe) Zäune und liefen auf die Straße. Ich versuchte es mit anhalten, erfolglos. EIn Porschefahrer versuchte sich vorbeizudrängen, da liefen die Pferde seitlich über einen Feldweg. Ich sagte im nächsten Ort einem alten Bauern bescheid, ob der wirklich darauf reagierte vermag ich nicht zu sagen.
In Dangenstorf aß ich nach Empfehlung zu Mittag, doch so richtig in Schwung kommen wollte ich bei dem auffrischenden Wind nicht mehr. Kurz vor Uelzen erwischte mich der nächste Schauer und die Temperatur fiel in wenigen Minuten um ca. 8°C auf 15°C. Ich beschloß, ab Uelzen den Zug in Richtung Bremen zu nehmen, um noch rechtzeitig ein Hotel zu bekommen. In Uelzen am Hundertwasser-Bahnhof überbrückte ich die Wartezeit mit Essen und dem Ausdruck meiner Rückfahrkarte.
Mit der Bahn ging es nach Bremen, wo ich dann ein Hotel hatte und auch noch ein kleines Abendessen zu mir nahm.
Mittags kümmerte ich mich erstmal um eine Bleibe für die Nacht. Nachmittags wollte ich direkt aus dem Büro losfahren. Da es in Havelberg aber nicht so einfach ist ein Hotel zu finden, wo man auch später am Abend ankommen kann und ich mir ohnehin die nervige Ausfahrt aus Berlin ersparen wollte, plante ich, die Tour ab Nauen zu starten und dorthin mit der Bahn zu fahren.
Der erste Versuch: Hotel-Pension Fleischmann in Havelberg. Ein Anruf, ein hin und her bezüglich der Uhrzeit. Ankuft eher gegen 18 Uhr, spätestens 19 Uhr Pflicht. Meine vorsichtige Frage nach einer Ankunft um 21 Uhr wurde mit einem “Das geht nicht, ich kann das ja nicht reservieren und nachher kommen Sie nicht!” quittiert. Direkt nach diesem Satz wurde aufgelegt. Von daher: Unfreundlich und unflexibel. Mein Geld kriegen die nicht.
Der zweite Versuch ist das absolute Gegenteil. Im Hotel Garni Lichthaus Knopf, das auch deutlich verkehrsgünstiger liegt, kann ich problemlos ein Zimmer reservieren, die Ankunftszeit ist kein Problem.
Die Regionalbahn nach Nauen ist relativ voll, trotzdem kriege ich die bepackte Speedmachine noch halbwegs unter. In Nauen mache ich mich direkt auf den Weg. Ich folge dem Havellandradweg ein Stück und dann kleinen und gut fahrbaren Straßen. Die Strecke hatte ich im letzten Jahr bereits ausgetestet und den Track einfach als Grundlage hergenommen.
Und ich hatte auch noch die schlechte Versorgungslage auf diesem Teilstück in Erinnerung: Keine Tanke, kein Bäcker, kein Supermarkt (naja, ein Aldi). Ich hatte ein gutes Mittagessen, insofern kein Problem.
Kurz vor Havelberg dann große Umleitungsschilder, Baustelle in Jederitz. Da der Havelradweg weiter auf der Originalstrecke ausgeschildert ist, gehe ich das Risiko ein und folge dieser. Die Straße in Jederitz fehlt vollständig, der Bürgersteig ist nur teilweise brauchbar. Ich schiebe das Rad durch tiefen Sand und auf 20-30cm breiten Wegresten, während ich einen halben Meter tiefer durch die Baustelle tapse. Aber ich kann den Ort durchqueren.
In Havelberg treffe ich bei der Ortseinfahrt sofort auf mein Hotel. Das Rad findet einen trockenen, warmen Platz in einem abgeschlossenen Raum ein Gebäude weiter. Und ich kriege ein riesiges Zimmer und werde gefragt, wann ich denn Frühstücken will. So geht das!
Nach dem Duschen gönne ich mir ein üppiges Mahl beim örtlichen Griechen, danach arbeite ich noch die per Twitter erhaltenen Tipps in meine Routenplanung ein, bevor ich ins Bett gehe. Leider ist die Wettervorhersage für die kommenden Tage alles andere als ideal.
Zur diesjährigen SPEZI wollte ich endlich einmal standesgemäß anreisen – mit dem Liegerad. Eine Woche plante ich für die Reise ein, am Wochenende zuvor war Ostern. Die ersten Pläne sahen eine Tour ab Berlin vor, doch ich verwarf diese zu Gunsten einer kürzeren Tour mit mehr Urlaubscharakter am Rhein entlang.
So, 24.04.2011
(Berlin) – Duisburg – Köln
Ich nahm den IC um kurz nach acht Uhr morgens nach Minden, von Dort die Regionalbahn nach Duisburg. Das frühe Aufstehen fiel mir nicht leicht, aber die Zugfahrt ging irgendwie rum. Der Tag war sonnig und warm, der Start im Duisburger Stadtverkehr war etwas nervig, die Fahrt bis zum Rhein herunter führte durch verwinkelte kleine Straßen. Auf dem Rhein-Radweg angekommen ging die Fahrt zügig voran, der Feiertag bedeutet allerdings auch, daß ziemlich viele Menschen hier unterwegs waren. An Ausflugsrestaurants oder bei der Durchquerung von Düsseldorf mußte ich langsam um die vielen Spaziergänger und weniger schnellen Radfahrer herumkurven. Hinter Düsseldorf kürzt der Weg einige der Rhein-Windungen ab, allerdings durch eher langweilige Landschaften oder Orte. Bei Hitdorf schließlich wechselte ich auf die linke Rheinseite, um nach Esch zu meiner Unterkunft zu fahren. Dank des Live Trackings wurde ich bereits erwartet, kaum war ich vor dem Haus, ich orientierte mich gerade nach der Hausnummer, ging die Tür schon auf und ich wurde begrüßt. Nach dem Duschen war der Grill heiß und ich bekam ein opulentes Mahl serviert – perfekt!
Mo, 25.04.2011
Köln – Remagen
Der Montag war der letzte Oster-Feiertag und in Köln gab es eine Radsportveranstaltung. Ich hatte mich mit Reinhard verabredet. Meine ursprüngliche Etappenplanung sah vor, bis nach Koblenz zu fahren, aber wegen des regen Osterverkehrs und auch um Reinhard für den Rückweg etwas entgegenzukommen (und bei der Länge der Strecke, der Arme hat ja schließlich kein Liegerad in Köln…), entschied ich mich für die etwas verkürzte Variante und setzte als Ziel Remagen an.
So verabschiedete ich mich zeitig, aber nicht zu früh nach einem guten Frühstück und fuhr von Esch nach Vogelsang, wo ich bereits erwartet wurde. In einer großzügigen Runde umfuhren wir wegen der Veranstaltungen die Kölner Innenstadt, weshalb es leider kein nettes Foto mit der Speedmachine vor dem Dom gibt, und begaben uns dann auf den Uferradweg entlang des Rheins. Wie erwartet herrschte starker Ausflugsverkehr, aber ales war noch gut fahrbar, nur selten hielten uns größere Menschenansammlungen auf.
An einigen Stellen biegt der Radweg vom Ufer ab, um Hafenanlagen oder Industriekomplexe zu umfahren, ebenso bremsen Ortsdurchfahrten wie üblich den Fluß. Auf weiten Teilen aber bietet der Radweg auch für Fernradler gute Bedingungen, auch wenn es nicht ashpaltierte Stellen oder Teile mit Wurzelschäden gibt. Gut ist, daß es über viele Kilometer keinerlei Berührungen mit dem Autoverkehr gibt, der größtenteils ohnehin von der parallel laufenden B9 oder der etwas entfernten Autobahn geschluckt wird.
Das sonnig warme Wetter animiert uns zu ein wenig Eisdielen-Posing. Im Remagen besichtigen wir noch die Reste der berühmten Brücke von Remagen, bevor Reinhard dann in den Zug zurück nach Köln steigt. Ich drehe noch eine kurze Runde durch die Stadt, bevor ich mich einem Wellness-Abend im Hotel einige Kilometer nördlich hingebe.
Di, 26.04.2011
Remagen – Bingen
Obwohl ich am Vortag die Etappe verkürzt hatte, wollte ich heute wieder zur ursprünglichen Planung zurückkehren und nach Bingen durchfahren. Schon kurz hinter Remagen war zu sehen, daß ich mich jetzt auch sichtlich ins Rheintal begab, außen herum stieg die Landschaft an, die Orte und auch die Verkehrsverbindungen schmiegten sich deutlich enger an den Fluß. Trotzdem läuft der Radweg noch immer gut getrennt von den Straßen direkt am Fluß entlang und bietet schöne Blicke entlang des Tals. Die Osterfeiertage sind vorbei und so ist der Weg heute frei – ich komme gut voran. Die Speedmachine liegt satt auf der Straße, die Federung schluckt die wenigen Unebenheiten perfekt. Allerdings ist das Lenkerspiel stärker geworden und beginnt, leicht störend zu wirken.
Auf meiner Strecke liegt heute Koblenz, dort will ich das Deutsche Eck besichtigen, wo Mosel und Rhein zusammenfließen, zudem liegt die Stadt bei 50km an einem guten Punkt für eine Mittagsrast. Weiterhin hoffe ich dort einen Fahrradladen zu finden, denn das Problem mit dem Lenkerspiel läßt sich mit Bordwerkzeug nicht beheben.
Das Deutsche Eck betrachte ich zunächst von ferne, bevor ich die Mosel überquere. Leider ist die Zufahrt nicht ganz einfach, denn wegen der Buga (Bundesgartenschau) kommt man nur über Treppen ganz nach vorn – ich trage das Rad inklsuive Gepäck die Stufen hinauf, denn ein Foto darf hier nicht fehlen.
Anschließend gönne ich mir auf dem Josef-Görres-Platz eine Mittagspause. Die Bestellung meiner Apfelschorle verläuft nach Plan, das Getränk wird auch in halbwegs akzeptabler Zeit geliefert. Die Sache mit dem Essen gestaltet sich schwieriger: Zuerstbestelle ich einen “Fellinis Burger”, dem Namen nach die Spezialität des Hauses. Nach einiger Zeit wird mir mitgeteilt, daß dieser heute leider ausgegangen sei. Ich entscheide mich für ein anderes Gericht. Und es dauert. Der Ober läuft mehrfach am Tisch vorbei, lächelt nett. Meine Apfelschorle ist irgendwann alle. Der Ober lächelt noch immer, kommt aber nicht vorbei. Irgendwann winke ich ihn heran, frage nach meinem Esssen. Es stellt sich heruas, daß dieses vergessen wurde. Ich bestelle es ab. Für diese Leistung gibt es auch kein Trinkgeld, meine zeit wird langsam auch knapp, ich will noch bis nach Bingen und die Loreley vorher noch bei Sonne sehen!
Ein Besuch beim Fahrradladen und das Problem mit dem Lenkspiel ist behoben. Da das Rad dort schon so schön im Arbeitsständer ist, wechsele ich auch noch schnell selbst meine vorderen Bremsbeläge (aus meinen eigenen Vorräten, denn im Laden gibt es keine passenden). Man verlangt kein Geld von mir, aber für den guten und freundlichen Service landet das gesparte Trinkgeld vom restaurant (plus ein wenig Bonus) dann eben hier in der Kaffeekasse.
Auf dem Weg aus Koblenz hinaus komme ich leider nicht mehr an irgendeiner Gelegenheit vorbei, auf schnellem Wege etwas zu essen. Um mich nicht komplett leerzufahren greife ich zur Notfallmaßnahme und genehmige mir ein Gel. Dann geht es auf nach St. Goar Der Radweg verläuft hier niocht mehr so schön, sondern direkt neben der B9. Zwar ist das Verkehrsaufkommen noch halbwegs erträglich, aber die Ruhe und Entspannung, die der fern der Straße gelegene Rheinradweg bisher bot sind hier nicht mehr ganz so gegeben. Das Tal ist eng. In St. Goar schließlich komme ich zu etwas zu essen: Currywurst, Pommes und danach noch einen Apfelstrudel. Sicher keine perfekte Sportlerernährung, aber hier zählten jetzt allemal nur noch die Kalorien.
Kurz nach Ausfahrt genehmige ich mir einen schönen Blick auf den Loreley-Felsen. Die Dame hat wohl schon Feierabend, aber einen netten Platz hat sie sich da ausgesucht. Dennoch, ich muß weiter. Auf dem nicht immer perfekten Pflaster des eng an Bahnstrecke und Bundestraße geschmiegten Radweges merke ich allerdings bald, daß etwas mit der Federung meines Vorderrades nicht stimmt: Die Gabel federt nicht mehr aus. Ich telefoniere mit HP Velotechnik und bekomme nach kurzer Beratung per Mail die Adressen zweier Fahrradläden auf meinem Weg genannt, die sich als HP Fachhändler mit der Gabel auskennen sollten. Mit den “Radgebern” aus Mainz telefoniere ich, schildere mein Problem und man verspricht mir am Telefon, daß ich trotz voller Werkstatt am nächsten tag vorbeischauen könne, man würde sich das Problem mal anschauen und könne vielleicht etwas tun.
In Bingen suche ich mir ein Hotel mit Möglichkeit, mein Rad sicher unterzubringen. Zu Fuß schlendere ich eine Weile durch die Stadt, bis ich ein geeignetes Restaurant finde, um mich abends noch etwas zu stärken. Ein warmes Bad entspannt die Beine, bevor ich ins Bett gehe.
Mi, 27.04.2011
Bingen – Ober-Ramstadt
Die Wettervorhersage verspricht wechselhaftes Wetter, doch der Morgen begrüßt mich nocheinmal mit Sonne. Mit vermindertem Luftdruck auf dem Vorderrad und verminderter Geschwindigkeit mache ich mich auf den Weg nach Mainz. Der Radweg führt über Wirtschaftswege, bietet kaum interessante Blicke und fast nie Sicht auf den Rhein. Er verläuft hinter oder auf Deichen, die allerdings schon weit entfernt vom Ufer stehen. Langsam wird es dunstig, auch etwas kühler als in den letzten Tagen. Ich kann mich nicht recht für die Landschaft begeistern, will eigentlich nur meine federung repariert haben – bei den fahreigenschaften der Speedmachine ohne Federung des Vorderrades frage ich mich einerseits, warum jemand diese Option überhaupt fahren will und andererseits wird mir klar, daß das Rad so auch nicht schneller wird. In Ausnahmen wie auf perfektem Pflaster vielleicht, aber generell nicht: Bei kleinsten Unebenheiten neigt das Vorderrad zum springen, ich habe das Gefühl, die Federung des Hinterrades ist auch nur noch halb so effektiv.
Ich kämpfe mich durch den Mainzer Stadtverkehr und komme bei den Radgebern an. In der Werkstatt muß ich einige Minuten warten, man hört sich mein problem an, einem zweuiten Mitarbeiter schildere ich das Problem auch nochmal. Dieser erklärt mir, daß sie an dieser gabel jetzt so schnell eh nichts tun könnten, die müsse eingeschickt werden und überhaupt sei es ja sehr voll. Ohne einmal überhaupt nur mein Rad oder die Gabel anzuschauen. Ich bin genervt. Ich hätte mir einigen nervigen Stadtverkehr sparen können und Mainz auf sehr direktem Wege durchquert, wenn man mir diese Information einfach am Telefon gegeben hätte. Dicker Minuspunkt für diesen Laden. Es ist völlig OK, wenn die Werkstatt voll ist oder es Teile gibt, wo einem die Erfahrung fehlt – die Federgabel der Speedmachine ist schon sehr speziell – aber bitte, bitte: sowas kann man dann auch einfach gleich sagen. So hat mich die Aktion einfach nur Zeit und Nerven gekostet und keinerlei Erkenntnisgewinn gebracht.
Ich entschließe mich, spontan einen Abstecher nach Trebur zu Fahrrad Claus zu machen, dem zweiten Händler, den mir HP genannt hatte. Auf dem Weg dorthin passiert, was irgendwann passieren mußte: Ein Autofahrer nietet mich um. Es muße passieren, weil ich der eigenen Regel, nicht auf Radwegen zu fahren, sondern immer die Straße zu nehmen, nicht gefolgt war. Der Radweg führt entgegen der Fahrtrichtung, die Überleitung auf die andere Seite ist schlecht ausgeschildert und ich bin sehr langsam, um mich zu orientieren. Eine Einmündung mit Zebrastreifen. Ich rolle mit Fußgängergeschwindigkeit heran, ein Auto bleibt auf dem Zebrastreifen stehen. Ich rolle vorbei … und in dem moment, wo ich genau davor bin gibt der Autofahrer Gas und nietet mich um. Arm tut weh, Spiegel kaputt, Schutzblechhalterung gebrochen. Austausch der Daten. Himmel bewölkt. Nicht mein Tag!
In Trebur finde ich Fahrrad Claus auf Anhieb. Die unfallschäden sind fix behoben, der Techniker mit Erfahrung mit der Concept-Federgabel allerdings zum Mittag außer Haus. Trotz voller Werkstatt wird mir angeboten, daß ich warten könne und man dann einen Blick drauf wirft. Ich entschließe mich, derweil Mittag zu machen und bekomme ungefragt neben einem guten Tipp für eine preiswerte Gaststätte auch noch leihweise ein Rad. Ich fühle mich hier deutlich besser aufgehoben als in Mainz. Nach dem Mittagessen überlege ich, ob ich meinen Arm einem Arzt vorzeige, eine nette ältere Dame bgelietet mich zum Arzt, dessen Prais geschlossen hat – und der leider auch an seiner Privatadresse nicht anwesend ist. Ich fahre zurück zum Radladen und meine Speedmachine wird nur wenig später in die Werkstatt geschoben. Mit Geduld, einigen Telefonaten mit HP Velotechnik und einem sogar vorrätigen Ersatzteil wird die Gabel wieder perfekt hergerichtet. Das geht wegen der seltenen Teile und des komplexen Aufbaus nicht gerade schnell, trotzdem gibt hier niemand auf. So geht Service! Ich bin glücklich, bedanke mich und füttere die bunte Kuh (Kaffeekasse) angemessen. Draußen regnet es und ein Gewitter zieht durch.
Trotz leichten Regens, der allerdings nocheinmal stärker wird, setze ich meine Fahrt fort. Zunächst weigert sich das Navi, zum Zielort zu routen (Autorouting, da Trebur ja nicht auf der vorgeplanten Route lag), aber mit ein, zwei Zwischenpunkten läßt es sich dann überreden. Auch der Regen verzieht sich bald und ich kann nach vielleicht 20 Minuten meine Regenklamotten schon wieder ausziehen.
Je näher ich Darmstadt komme, umso nerviger werden die Wege, die fahrt durch Darmstadt ist wegen schlechter Straßen auch nicht gerade der Hit. Ich fahre mitten durchs Zentrum, will aber nur noch ankommen und sehe nicht so viel von der Stadt. Kurz hinter Darmstadt bieten sich mir zwei Möglichkeiten: Auf der viel befahrenen Bundesstraße halbwegs nivelliert den Aufstieg wagen oder über nicht nivellierte Waldwege weiter. Nach kurzem Nachdenken entscheide ich mich für fünf- bis zehnprozentige Steigungen auf Waldwegen und erreiche zum Lohn Ober-Ramstadt mit einer schönen Schußfahrt bei über 60 km/h. Durch die Stadt lotst mich mein GPS auf verschlungenen kleinen Wegen und dnak Live Tracking werde ich bereits erwartet.
Duschen, bekocht werden, angeregte Unterhaltung. Ein alles andere als perfekter Tag findet einen sehr schönen Ausklang. Am nächsten Tag gönne ich mir einen Ruhetag mit Stadtbesichtigung und Kultur.
Fr, 29.04.2011
Ober-Ramstadt – Bellheim
Auch diesmal möchte ich die Bundesstraße wieder umgehen und entscheide mich für einen Weg durch den Wald. Ersteinmal geht es diverse Höhenmeter hinauf, dann fast nur noch bergab. Auf einigen Lichtungen habe ich einen sehr netten Blick über die Ausläufer des Mittelgebirges, doch schon nach kurzem wird es wieder flach. Ich durchfahre Nieder-Ramstadt, Eberstadt, Pfungstadt, Hanh und erreiche in Gernsheim wieder den Rhein, den ich mit der Fähre jetzt zum dritten mal auf dieser Reise quere. Bis Worms geht es auf einem angenehm fahrbaren Radweg. Im Worms gönne ich mir eine Pause mit Mittagessen. Danach folgt die Fahrt auf zum Glück wenig befahrenen Landstraßen. Lediglich die Ortsdurchfahrten mit ihrem Slalom um Blumenkübel sind ab und an etwas nervig. Während mich der kräftige Wind auf der rechten Rheinseite noch schob, kommt er mittlerweile seitlich, zeitweise auch schräg von vorn – vornehmlich dann, wenn wieder eines der kleinen Schauergebiete in der Nähe vorbeizieht dreht er.
In Mutterstadt erwischt mich dann ein Schauer, als ich schon wieder aus dem Ort herausfahre. Da ich ohnehin eine Toilette gebrauchen könnte flüchte ich mich zu einer Bäckerei (das Gasthaus hat geschlossen). Dort gibt es keine Toilete und so fahre ich im mäßigen Regen weiter, der Tipp war ein Einkaufszentrum kurz hinter dem Ort. Allzu kurz ist das nicht und ich halte zwischendurch an einem Baum. Als der Regen endlich nachläßt erreiche ich das besagte Einkaufszentrum und kaufe dort etwas zu trinken, während ich die letzten Tropfen vorbeiziehen lasse.
Kurz vor Speyer fällt mir ein verlorenes Nummernschild auf der Straße auf, das von den Autos beim Überfahren wild herumgewirbelt wird. Da ich ohnehin die STraße überqueren und abbiegen muß, halte ich kurz an und sammle es auf. Auf dem Weg bis Bellheim begegnet mir keine Polizeistation, wo ich es abgeben könnte, und so nehme ich es erstmal mit ins Gasthaus.
Einchecken, frisch machen, dann verabrede ichmich mit Klaus, um mal in Gemersheim vorbeizuschauen, wie weit die Aufbauarbeiten an der SPEZI schon gediehen sind und etwas zu essen. Während Klaus die Unterbringung seines Fahrrades für den Samstag abklärt, fahre ich zur Polizei. Diese ist mittlerweile an anderer Stelle, als in meiner OpenStreetMap verzeichnet (werde das in der Map korrigieren), nach Nachfrage finde ich das Neue und liefere das Nummernschild dort ab.
Nach dem Essen beeilen wir uns mit dem Weg nach Bellheim, da es nach Regen aussieht, dort kehren wir noch kurz am Sportplatz ein, dann ist der Tag aber auch bald beendet.
Nach dem gescheiterten Versuch, das Nordkap zu erreichen und danach noch Norwegen anzuschließen kommt jetzt die Nachlese. Ich war beim Orthopäden und Sportarzt und ich war (bisher nur zu Informationszwecken) in einem Trainingslabor, das nach biomechanischen Vermessungen die individuelle Einstellung des Rades unterstützt. Ich habe so einiges im netz gelesen und versuche meine Lehren zu ziehen, um beim nächsten Versuch – den ich gern schon im nächsten Jahr ansetzen würde, das Risiko zu minimieren und das Unternehmen zu einem erfolg- und erlebnisreichen Ziel zu bringen.
Einigkeit in der Analyse herrscht darüber, daß hier mehrere Faktoren zusammenspielten. Die neuen Schuhe (die ich ja schon von Anfang an als Risikofaktor einschätzte), der relativ harte Einstieg, der von der Planung nicht so hart gedacht war, sondern zu dem ich mich aufgrund des extrem guten Wetters hab hinreißen lassen und die anfänglich (bedingt durch die geänderten Schuhe) nicht ganz optimale Einstellung des Rades dürften zu dem Problem geführt haben. Vorhersehbar war die Sache so sicher nicht, aber die deutlich geänderte Belastung auf so einer Tour stellt eben starke Anforderungen und den Körper und hebt so die Gefahr von Problemen deutlich an.
Welche Konsequenzen ziehe ich jetzt daraus? Nun, an allererster Stelle steht im Moment die vollständige Heilung, so daß keine Gefahr eines chronischen Problems daraus erwächst. Ich habe orthopädische Übungen, die ich auch über den Heilungsprozess hinaus betreiben soll, um die Sehnen bestmöglich auf die Belastungen vorzubereiten. Ich werde weit im Vorfeld mein Material abstimmen, auch mit professioneller Hilfe (Videoanalyse, Körpervermessung). Und ich werde beim nächsten mal einen deutlich disziplinierteren Einstieg hinlegen, sowohl was geringere Kilometerleistungen gerade am Anfang angeht, als auch was meine in der ersten Woche noch nicht gut eingespielte Ernährung angeht – denn wenn ich müde werde (zum Beispiel wegen nicht regelmäßigen Essens), dann ändern sich auch meine Bewegungsmuster nachteilig.
Um etwas Abwechslung in die Tour zu bringen und nicht stur den relativ gut optimierten Track von diesem Jahr abzufahren, denke ich für den südlichen Teil bis zur E45 über geänderte Streckenführungen nach. In Hinsicht auf den relaxteren Einstieg stehen dabei Routen zur Debatte, die gerade in der ersten Woche auch ein paar mehr Sightseeing-Elemente enthalten und die Strecke auf ein paar mehr Fahrtage (+3 bis zum Nordkap) verteilen sollen.
Desweiteren erlaubt mir die Vorbereitungszeit mit ein paar kleineren Touren in diesem Sommer auch noch ein paar Optimierungen am Material, die sicherlich nochmal mehr als ein Kilo Gewicht sparen können.
Auch wenn ich vielleicht dort nächstes mal nicht langfahre, aber rund um Gislaved und Mariestad habeich dann auch noch in OSM fehlende Radwege und Straßen nachgetragen, so daß Leute, die an meinen Tracks interessiert sind und auch nach OSM fahren (was sehr gut funktioniert hat!) vielleicht etwas davon haben.