Obwohl ich einige Kilometer vor mir hatte, entschied ich mich, nachdem ich mich abends ganz schön platt gefühlt hatte für einen Morgen ohne Wecker. Dennoch war ich, wohl auch, weil ich früh schlafen gegangen war, um kurz nach sieben Uhr wach.
Brücke über die Saale
Der Vorteil am Reisen mit kleinem Gepäck ist die kurze Packzeit – und da meine Tasche auch alles andere als voll ist, ist das Packen auch recht unkompliziert. Nach dem Aufbruch war das primäre Problem, ein Frühstück zu organisieren. In Bad Belzig gab es nur eine Bäckerei mit begrenzter Auswahl und so entschloss ich mich, die zehn Kilometer bis Wiesenburg nach einer Hälfte des Frühstücks zu fahren und dort im Supermarkt nicht nur Saft, sondern auch ein paar süße Croissants zu kaufen.
Weiter ging es angenehm zügig bis Dessau, wo ich mich kurz verfranste, etwas, was mich ubtypischerweise durch den Tag begleitete. Baustellen, Unaufmerksamkeiten. Naja, passiert. Bis Halle reichte mein Frühstück jedenfalls und dort plante ich ein Mittagessen an Bord des bewährten Restaurantschiffs ein. Dort versuchte ich angesichts der überschaubaren Restdistanz von ca. 70km auch eine Übernachtung in der Jugendherberge Wasserburg Heldrungen zu bekommen. Da diese aber mit einer 200-Personen-Gruppe restlos belegt war, suchte ich eine andere Unterkunft und wurde in Heldrungen auch fündig. Damit war das Tagesziel klar.
Leere Strasse
Nachdem ich das Hallesche Baustellenchaos hinter mich gebracht hatte, überraschte mich mal wieder die Tatsache, dass zwischen mir und meinem Ziel Querfurt und die Himmelsscheibe von Nebra (naja, in Form eines Anstiegs) liegen. Den wollte ich mir am Leimbacher Gasthof versüßen, der allerdings heute wegen Krankheit geschlossen hatte. Also ging es so weiter.
Hinter dem Anstieg wird man nicht nur mit einer schönen Abfahrt belohnt, sondern bald auch mit den ersten Blicken auf den Kyffhäuser. Fotografieren ist und bleibt aber schwierig.
Vom Unstrutradweg nahm ich zwischen Artern und Reinsdorf eine Abkürzung. Bei der Einfahrt nach Reinsdorf traf ich zufällig meinen Retter von 2011, den ich ja im Frühjahr bereits kurz besucht hatte. Nach einer kurzen Rast fuhr ich auf dem Radweg die letzten zehn Kilometer nach Heldrungen und bezog mein Zimmer.
Frühstück am Sonntag morgen wird ein spannendes Thema, ein Abendessen fand ich aber zumindest noch. Dort traf ich Ludwig, auch mit dem Rad auf Tour. Das gab ein nettes Fachsimpeln am Abend.
Nach der Pause im letzten Jahr sollte 2018 endlich wieder die Chance auf eine Tour in meinem Lieblingsradreisemonat September bringen. Und da nach SPEZI-Tour und radlosem Interrail im Sommer durchaus noch ein paar Tage über waren, blieb Platz für eine Tourplanung, wie ich sie im letzten Jahr schon im Sinn hatte: eine Strecke, die eigentlich (für mich) nicht zu schaffen ist. Eine Grenzerfahrung. Schauen, wie weit es geht. Nur fahren, sonst nichts.
Speedmaschine in Reisekonfiguration
Und so ist schon der Start in die Tour entsprechend angelegt. Anstatt Samstag morgen loszufahren, habe ich mich entschieden am Freitag Nachmittag nach HomeOffice und Mittagessen zumindest den ersten Schritt zu machen: raus aus der Stadt. Das heißt also mindestens den Berliner Ring hinter mir lassen. Sonst ist es gefühlt nicht „draussen“. Hierfür suche ich mir dann allerdings schon eine Unterkunft vorher heraus und werde in Bad Belzig fündig, das sind etwa 80km.
Bad Belzig am Abend
Um kurz nach 15 Uhr geht es also los. Zuerst fahre ich mit Susanne noch Clara an der Schule in Dahlem aufsammeln, von dort biege ich dann auf meine geplante Route ein. Mir steckt die Müdigkeit und der Stress der letzten Tage in den Knochen, aber es geht bei schönem Wetter trotzdem gut voran. Raus geht es über Potsdam, Schwielowsee und den R1, ich folge meiner bekannten Germersheim-Strecke zum einfahren.
In Brück verlasse ich allerdings den geplanten Track und fahre doch über die offizielle Radroute, Freitag Abend ist die Strasse doch etwas voller mit gestressten Autofahrern, ich wähle ob meiner relativ kurzen Distanz heute den etwas anstrengenderen, aber autoarmen Weg. Von den Kilometern nimmt es sich nichts, denn auch auf der geplanten Strecke ist eine Baustellenumfahrung nötig.
So komme ich um 19 Uhr in Bad Belzig an, beziehe mein Zimmerchen und kann in der Altstadt noch essen gehen. Dennoch geht es früh ins Bett. Der Plan für morgen sieht ein paar Kilometer mehr vor, einen Wecker stelle ich dennoch nicht. Fit sein ist die oberste Prämisse.
Der Lenker neu, das Navi neu, die Schaltung wegen Defekts der alten ersetzt – Zeit für einen Test auf einer realen, erprobten Strecke. Ich entschied mich für meine Südwestausfallstrecke aus Berlin, gefahren auf diversen SPEZI-Touren oder zu anderen Gelegenheiten in dieser Richtung. und setzte als Ziel Roßlau bzw. Dessau an.
Zwischen Brück und Bad Belzig
Ganz die übliche Strecke war es dann doch nicht. Ich wollte bei der Ausfahrt aus Berlin Potsdam umgehen und mich über Güterfelde und Beelitz auf die bekannte Strecke einfädeln um zu testen, ob der Weg schneller und angesichts des kürzlichen Waldbrands nahe Fichtenwalde am Europaradweg R1 eine sinnvolle Alternative darstellt. Nun sind mir weite Teile des Weges ohnehin aus Rennradrouten und Trainingsstrecken bekannt und ich wusste, dass ich mich auf teils nervigen Verkehr einlasse, wobei viele Teilstücke mit brauchbaren Radwegen ausgestattet sind. Im Zusammenspiel wollte ich es dennoch ausprobieren. Das Ergebnis ist: Falls der R1 nicht gesperrt ist, dann ist er definitiv die angenehmere Route und letztlich nimmt sich das von Kilometern und zeitlich auch am Ende nicht so viel. Nervige Straßen, sich ziehende straßenbegleitende Radwege mit der ein oder anderen Hügelei und einiges an Baustellen im Bereich um Beelitz lassen das aber bestenfalls als Ausweichroute gelten, nicht als Urlaubsstart.
Der zweite Test war der offiziellen Radroute zwischen Brück und Bad Belzig zu folgen, anstatt wie üblich auf der B246 zu fahren, zumal diese gerade zwischen Lüsse und Bad Belzig gesperrt ist: Brückenarbeiten an der Bahnstrecke, auch kein Durchkommen für Radfahrer. Sagen wir es mal so: als Baustellenumfahrung ist der relativ ruhige und nette Radweg durchaus geeignet, wenn auch die Umfahrung durch Lüsse und die K6930 vermutlich am Ende schneller ist (und daher bis zum Ende der Brückenarbeiten in meiner Planung landen wird).
Die Elbe bei Dessau
Der Rest des Weges folgte dem bekannten Verlauf. Da mein Frühstück nicht ausreichend war für die Länge der Strecke und ich auch ein wenig mit dem Wind zu kämpfen hatte, suchte ich etwas zu essen. In Bad Belzig am Weg wurde ich noch nie fündig, was mir den Anstieg nach Klein-Glien dann etwas verhagelte. In Klein-Glien gab es geschlossene Gesellschaft, aber nach Wiesenburg geht es dann ja wieder etwas abwärts. Dort angekommen nahm ich einen Snack in der Schloßschänke und war damit gerüstet für die Fahrt nach Roßlau. Weil ich bis zum nächsten Zug noch Zeit hatte, machte ich einen Abstecher zur Elbe und fuhr dann kurz weiter bis zum Bahnhof in Dessau. Am Ende kam ich mit 125km und einem 26,5km/h Schnitt (netto) durch, was meine Hoffnungen in Bezug auf die neue Konfiguration des Rades bestätigte.
In den letzten Jahren fuhr ich mit dem Garmin Monterra herum. Eigentlich ein nettes Navi, eines der wenigen brauchbaren Navigationsgeräte mit Android – vom Handy als Navi konnte mich bisher noch kaum etwas überzeugen: weder war die vorhandene Software wirklich der Hit von der Darstellung, noch scheint mir der Stromverbrauch normaler Smartphonedisplays besonders praxisgerecht. Allerdings gab es für das Monterra seit langem keine Updates mehr, es war schlicht für ein Online-Gerät zu unsicher, zudem hatte ich mittlerweile mit Hardwareproblemen zu kämpfen.
Magnetischer USB Anschluss (gezogen)
Als Ersatz hatte ich mir passend zur sportlicheren Ausrichtung meiner Speedmachine ein Garmin Edge 1030 besorgt. Zwar hat auch dieses einige Nachteile als Reisenavigationsgerät, allerdings ist es leicht, hat ein gutes Display und in Tests hat es sich für mich als mithin brauchbares Gerät erwiesen.
Ein Unterschied allerdings ist die Stromversorgung: Für das Monterra gibt es eine (Motorrad-)Halterung, über die es mit 12V versorgt wird, sobald es eingelegt wird. Das Edge 1030 hat zwar Kontakte, die man an einer speziellen Halterung für die Versorgung aus einer speziellen Powerbank nutzen kann, für diese gibt es allerdings keine Beschreibung oder Halterungen, die man direkt mit 5V oder 12V versorgen kann.
USB Magnetanschluss (angeschlossen)
Folglich bleibt nur das Stecken eines USB-Kabels. Allerdings habe ich da mechanisch Bedenken (Stecker ragt raus, Hebelkräfte, häufiges Stecken).
Eine Lösung (die sich jetzt bewähren muss) besteht für mich aus einem Kabel mit Magnetanschluss. Dabei verbleibt ein kleiner USB-Stecker im Gerät, der kaum herausragt, daran wird magnetisch das Kabel angeschlossen. Im Falle mechanischer Belastung löst sich das Kabel leicht ab, die mechanische Beanspruchung durch das Stecken und Abziehen hält sich in Grenzen. Als Gimmick hat mein Kabel noch eine kleine blaue LED im(!) Stecker, so daß man auch im Dunkeln leicht den Anschluss findet.
Meine Speedmachine ist ja für ein Reiserad ohnehin schon relativ schnell bzw. effizient. Ich fuhr seit geraumer Zeit relativ leichte Reifen, mein Gepäck ist schmaler und leichter geworden, um aerodynamisch besser zu werden und das Systemgewicht, zum Beispiel bei Bergetappen, niedriger zu halten. Damit sind auf dem Liegerad durch die angenehme Sitzposition und die damit verbundenen relativ langen möglichen Fahrzeiten schon gute Schnitte bei der Länge der Tagesetappen erreichbar gewesen. Aber manchmal packt es mich und ich frage mich, ob da nicht mehr drin ist.
Speedmachine mit Tiller von vorn
Im ersten Schritt habe ich mich nochmal den Reifen gewidmet. Relativ frisch am Markt sind Tubeless Reifen im Rennradbereich. Und so versuchte ich damit Erfahrungen zu sammeln. Als erstes besorgte ich die passenden Mäntel, fuhr sie aber mit Schlauch, um das Verhalten des Rades mit schmalen Rennradpneus kennenzulernen, als nächstes liess ich mir auf der SPEZI 2018 mein Vorderrad von Schwalbe auf Tubeless umrüsten. Und zuguterletzt besorgte ich mir für’s Hinterrad eine echte Tubeless Felge. Die Erfahrung mit dem Vorderrad war nicht so gut. Einer der wenigen verfügbaren 20-Zoll (ETRTO 406) Tubeless Reifen ist der Schwalbe Pro One. Im Betrieb mit Schlauch hatte ich nach ca. 900km ein „Ei“, also ein Karkassenproblem. Bei der Umrüstung der Felge spendierte mir auf der Messe Schwalbe Ersatz. Nach ca. 16km hatte ich ein Loch im Reifen, das die Dichtmilch nicht zuverlässig bei passendem Druck abdichtete und fuhr den Reifen fortan wieder mit Schlauch. Den dritten, für einen weiteren Umrüstversuch ohne Loch, bekam ich nicht tubeless aufgezogen (das dürfte aber damit zusammenhängen, daß es eben keine echte Tubeless Felge ist) und wollte ihn mit Schlauch in Form bringen – nach ca. 100km gab es den nächsten Platten. Damit habe ich das Thema Tubeless auf 20 Zoll zunächst auf Eis gelegt, da zumindest der Pro One in 20 Zoll nicht die nötige Pannensicherheit bietet und mit das schwierige Aufpumpen auch nicht die beste Voraussetzung für reinen Tubeless Betrieb auf Tour scheint (wenn man mal „von null“ aufpumpen muss). Anders sieht es am Hinterrad aus: Dort habe ich eine echte Tubeless Felge. Felge + Reifen wiegen fast 400g weniger als mein altes Hinterrad. Der Pro One tut es seit 1500km völlig problemlos. Die schmaleren Reifen und das leichtere Hinterrad haben auch durchaus etwas Geschwindigkeit gebracht. Die Rennradslicks laufen aber auch sehr viel leiser als die Supremes mit ihrem Alibi-Profil – dafür ist der Freilauf meiner neuen Leichtnabe erheblich lauter.
Speedmachine mit Tiller von rechts
Der vorerst letzte Schritt war dann die Umrüstung des Lenkers. Bisher fuhr ich an der Speedmachine ja einen Untenlenker. Sehr bequem, aber auch recht breit. Das fällt beim Abstellen oder beim Einsteigen in Züge auf, hat aber natürlich auch Konsequenzen für die Stirnfläche bzw. Aerodynamik. Wie stark der Einfluss ist, konnte ich allein schon auf der letzten Tour sehen: Wenn ich mit Micha bei einem leichten Gefälle rollte waren wir in etwa gleich schnell, klappte ich nur meinen Spiegel ein, rollte ich merklich schneller. Offensichtlich gab es hier ein erhebliches Verbesserungspotential. Da es wenig Möglichkeiten zum Testen gab, ging ich also mit dem Umbau auf einen Deichsellenker (Tiller) ein gewisses Risiko ein. Während der „Vorbau“ original HP ist, ist der Lenker ein deutlich schmaleres und anders geschnittenes Modell aus Holland, das mir Bert von Hofrad besorgte. Die Lenkerendschalter für die Schaltung wichen Triggerschaltern (Umwerfer hinten) bzw. einem passenden Schalthebel (vorn).
Ein erster Test um den Block verlief gut – ich konnte auf Anhieb mit dem neuen Lenker fahren, die Einstellung stimmte und ich kam nicht mit den Knien an den Lenker. Ein verlängerter Heimweg (60 statt 12 Kilometer) war mir dann eine erste Erfahrungsrunde.
Die Ergonomie des neuen Lenkers ist gut. Ich war bereit, da leichte Einschnitte für eine bessere Performance hinzunehmen, muss aber – zumindest nach dem ersten kurzen Test – sagen, daß ich nicht das Gefühl habe, hier wirklich ungemütlicher unterwegs zu sein. Die Stunde der Wahrheit kommt dann aber erst auf einer langen Tour mit täglich vielen Stunden auf dem Rad. Anders ist natürlich auch die Position des Navis. Sie ist viel näher dran, was die Augen beim Fokussieren stärker beansprucht, dafür ist es deutlich näher am Sichtfeld, ebenso wie der Spiegel, was dem Blick auf die Straße zugute kommt.
Speedmachine mit Tiller von links
Die Steuerbarkeit des Rades hat sich natürlich verändert, es fehlt mir hier aber auch noch an Erfahrung (im Wortsinn). Der Wendekreis scheint etwas größer als mit dem Untenlenker (das ist mit Obenlenker mithin normal), im niedrigen Geschwindigkeitsbereich fahre ich noch deutlich unsicherer und bei starker Beschleunigung sind die Treteinflüsse stärker spürbar. Insgesamt reagiert ein Tiller auf Lenkbewegungen sehr sensibel, so daß man gerade am Anfang aufpassen muss, den Lenker nicht zu verreissen. Mit zunehmender Geschwindigkeit lassen sich aber mit dem neuen Lenker gute und sportliche Kurven fahren. Bevor ich damit aber eine Abfahrt vom Alpenpass mache, werde ich doch an weniger kritischen Stellen üben.
Die Aerodynamik mit dem neuen Lenker ist nach ersten Tests erheblich besser. Ich komme auf eine höhere Endgeschwindigkeit in der Ebene im Sprint, meine Fahrgeschwindigkeit auf gerader Strecke ist auf längere Distanz auch merklich erhöht, ich würde schätzen zwei bis drei km/h Fahrgeschwindigkeit. Was das im Schnitt am Ende ausmacht, kann ich noch nicht abschätzen – allerdings ist es ein ziemlicher Hinweis, daß ich entweder bei gleicher Geschwindigkeit weniger Kraft brauche oder bei gleicher Kraft schneller vorankomme, respektive in der gleichen Zeit weiter komme.