Der letzte Anstieg

Morgens machte ich nach dem Frühstück erstmal einen Abstecher zum Supermarkt, um Geschmack für meine Getränke zu kaufen. Das Wetter zeigte sich kalt und feucht, aber zumindest ohne Regen.

Maisfelder und dunkle Wolken am Inn
Maisfelder und dunkle Wolken am Inn

Meine spontan zusammengeroutete Strecke, um an Innsbruck letztlich vorbeizufahren, kürzte über eine nicht befestigte Strecke ab, allerdings nur vielleicht 200 Meter, vermutlich war das gar nicht so schlecht. Am Ende kam ich erfolgreich am Inn auf dem Radweg raus. Die Wolken hingen tief, verfingen sich in den Berghängen.

Am Inn entlang führte die Strecke durch Industriegebiete, Felder und neben der Autobahn entlang, war aber gut fahrbar. Einige Kilometer vor Jenbach traf ich auf einige Rennradler, die gerade mit einer Reifenpanne beschäftigt waren. Vor mir hatte ein anderer Radreisender bereits gestoppt und mit einer Standpumpe(!) ausgeholfen. Ich fragte, ob ich noch helfen konnte und wir kamen ins Gespräch. Die Rennradler wollten in die entgegengesetzte Richtung, der andere Radreisende war Massimo aus Italien und er folgte der gleichen Route wie ich.

Schiebestrecke, 12% auf Schotter
Schiebestrecke, 12% auf Schotter

Da ich keinen großen Zeitdruck verspürte, beschloss ich einige Kilometer gemeinsam mit Massimo zu fahren. In Jenbach stellte sich heraus, dass ich meine geplante Strecke nicht nehmen konnte, wegen Bauarbeiten. Die Umgehung via Wiesing erwies sich als nicht minder problematisch, da sie über weite Strecken bei erheblicher Steigung nicht asphaltiert war. Wir schoben die Räder.

Nach einer kurzen Einkehr auf dem Pass fuhren wir dann getrennt weiter, ich wollte nach Bad Tölz, mein Begleiter etwas preiswerter und näher eine Unterkunft oder Campingplatz suchen. Am Achensee war es naturbedingt flach, dann ging es in die sanfte Abfahrt.

Tunnel an der Talsperre
Tunnel an der Talsperre

Ich schaute mir die Sylvensteinsperre an, nach einem kurzen Stück Radweg war dann aber bis Lenggries Bundesstraße angesagt. Der begleitende Radweg, wenn überhaupt vorhanden verwand sich in unnötigen Steigungen und war nicht durchgehend asphaltiert.

Ab Lenggries bis Bad Tölz fuhr ich auf der anderen Isar-Seite entlang auf einer ruhigen Straße. In Bad Tölz genossbich erst die Badewanne im Hotel und ging dann in die Innenstadt. Übrigens in Regenhose, da mir bei 10°C die kurze Hose doch zu kühl war.

Einmal Allgäu, bitte

Jochen und Ramona bereiteten mir ein wunderbares Frühstück und es war schwer, sich irgendwann loszureissen. Doch irgendwann musste es ja losgehen, ich hatte ja noch etwas vor.

Blick auf Donau und Ulm
Blick auf Donau und Ulm

Jochen begleitete mich auf dem Rad noch runter bis zur Donau, ab dort konnte ich wieder meinem Track folgen. Ein kurzes Stück fuhr ich also entlang der hier (ohne Hochwasser) eher schmächtigen als mächtigen Donau, bei Donaustetten bog ich nach Süden ab. Zunächst war es noch relativ flach und ließ sich locker fahren, aber je weiter ins Allgäu ich vordrang, desto höher würden die Hügel, bis auf über 700 Meter ging es hinauf.

Aber da es zwischendurch immer wieder Gefälle gab, sammelte ich Höhenmeter am laufenden Band, bewegte mich aber letztlich nur zwischen 600 und 700 Meter über NN. Das allerdings schlaucht ziemlich. Der Himmel war blau und die Sonne schien, auf angenehme 25°C bis 27°C stiegen die Temperaturen, beim erklimmen der teils mit mehr als 10% recht ordentlichen Steigungen ist das aber ziemlich warm.

Radrouten im Allgäu sind oben für den Ausblick
Radrouten im Allgäu sind oben für den Ausblick

Auffällig ist die hohe Zahl von E-Bike Touristen, meist älteren Semesters. Vermutlich stünde dieser Gruppe ohne die elektrische Unterstützung die Erkundung des Allgäu per Rad nicht offen. Allerdings waren bis auf ein paar Rennradler auch viele jüngere elektrisch unterstützt unterwegs.

Als erstaunlich problematisch erwies sich die Essensversorung. Quasi jede Dorfgaststätte hatte entweder Betriebsferien oder öffnete erst ab 17 Uhr. Bestenfalls in Wangen hätte ich wohl eine Chance gehabt, da führte mich meine Route dann aber am Zentrum vorbei und ich hatte für mich beschlossen, dass es bei der zu erwartenden Abfahrt zum Bodensee und den wenigen Restkilometern kaum Sinn machte, dort abzubiegen. Also fuhr ich weiter.

Ich hatte erwartet, irgendwann aus der Höhe noch einen Blick über den See erhaschen zu können, doch dem war nicht so. Nach der Abfahrt kam ich in Lindau erst zu einer Baustelle, dann irgendwann nach Österreich und hatte dort die erste Chance auf einen Seeblick.

Als ich ein kleines Stück weiter in Bregenz endlich einkehrte, sah ich auf Twitter die Message eines velomobilen Followers, der in Bregenz wohnt und ein Treffen anbot, so nahm ich einheimischen Rat zur Wahl einer passenden Lokation an und wir fachsimpelten ein wenig über das Reisen mit Liegerad oder Velomobil.

Selfie am See
Selfie am See

Darüber verging die Zeit und anstatt noch wild Kilometer zu machen, suchten wir gemeinsam eine Unterkunft in der Nähe, genauer in Dornbirn. Christian zeigte mir mit seinem df vorausfahrend den Weg und ich hechelte hinterher. Aber ganz klar geht nichts über Ortskenntnis, so kam ich fix beim Hotel an und hatte zwischendurch noch einen Supermarkt aufsuchen können.

Im Hotel war dann nur noch Waschtag für mich und die Klamotten angesagt. Und natürlich den Bericht für’s Blog zu schreiben.

Ein kurzer Tag

Am Morgen kaufte ich schnell noch etwas Saft ein, um meine Getränke etwas isotonischer zu gestalten – und für den Geschmack. Im Hotel wurde mir eine Luftpumpe zur Kontrolle der Reifen angeboten, was ich auch gern tat, zumindest vorn. Meinen 9,5 Bar Hinterreifen konnte die Pumpe nicht bedienen.

Im Ebersburger Tal
Im Ebersburger Tal

Auf dem Jagst-Kocher-Radweg fuhr ich dann eher flach weiter. Das Wetter war heute angenehm kühler als in den letzten Tagen, der Himmel war zeitweise bedeckt, was meiner Haut etwas Gelegenheit zur Entspannung bot. Und so vergingen die ersten 25km der heutigen kurzen Etappe von nur etwa 100km wie im Flug, auch wenn ich mich nach den Anstrengungen der letzten Tage etwas schwer tat, auf Tempo zu kommen.

Überraschend war für mich die Landschaft an der Brenz im Eselsburger Tal, das mit einigen steinigen Felsformationen aufwartete. Und in Eselsburg auch mit einem ordentlichen Anstieg. Das Lontal war landschaftlich nochmals anders. Von hier ging es dann nach kurzem Anstieg hinab ins Donautal bei Günzburg.

Ulmer Münster (innen)
Ulmer Münster

Die ganze Zeit fuhr ich entlang einer Regenfront, blieb aber trocken. Bei der Abfahrt zur Donau sah ich vor mir dir Regenfelder und stellte mich darauf ein, heute noch nass zu werden. Doch der Regen zog sich zurück und ich blieb verschont.

Bis Neu-Ulm fuhr ich auf der Straße oder dem begleitenden Radweg, da der Donauradweg hier leider nich durchgehend asphaltiert ist. Dort angekommen kam ich privat unter. Da es erst gegen 14 Uhr war blieb mir noch Zeit, mit meinem Gastgeber Ulm zu besuchen und neben Sightseeing den deutschen Teil meiner Rückfahrt sicherzustellen.

Nach einem netten Abendessen und guten Gesprächen fiel ich dann müde ins Bett.

Es wird (etwas) flacher

Mein erster Track führte bis nach Rothenburg ob der Tauber, nur knapp 100km. Die Ankunftszeit setzte das Navi schnell auf sehr optimistisch berechnete 13 Uhr fest. Klar, denn die Ausfahrt aus Haßfurt über den Main war zunächst auch relativ flach. Bald aber setzten die Hügel und das ständige Auf und Ab wieder ein, das so auf die Kondition geht, weil man keinen Rhythmus findet.

Straße mit Radweg
Straße mit Radweg

Große Pausen gönnte ich mir indes kaum, lediglich einen Stopp am Drogeriemarkt um eine Mini-Ressource aufzufüllen. Der Zähler stieg und stieg und pendelte sich auf 14 Uhr ein, was dann auch realistisch war. Ich fuhr in Rothenburg ob der Tauber dann unter Jubel und Geknipse einer chinesischen Reisegruppe ein. Und suchte nach einem Restaurant, das einen Platz im Schatten bei gleichzeitigem Blick auf’s Rad (möglichst auch im Schatten) bieten könnte – gar nicht so einfach, am Ende fand ich aber nahe der Stadtmauer einen Italiener.

Vom Spanier, der sich mit dem Wirt auf Spanisch verständigte über den Amerikaner, der beim Wirt Entsetzen auslöste, als er nach Tabasco zur Lasagne fragte war alles für eine herrliche Kulturstudie vorhanden. Allein mir fehlt auf Radreisen der Sinn für derlei Touristentrubel. Und so verließ ich den Ort nach zwei großen Kirschschorlen, einer Pizza, einer großen Spezi, einem großen Eiskaffee und einer Johannisbeerschorle für unterwegs ohne größere Besichtigung.

Endlose Landstraße unter blauem Himmel
Einfach fahren

Das Taubertal war noch sehr hügelig, aber zunehmend wurde die Landschaft flacher und ich folgte oft Radrouten auf ruhigen Wirtschaftswegen oder expliziten Radwegen. Ich wollte eigentlich nur 20-30 Kilometer noch fahren, aber es lief am Ende so gut, das noch gut 60km folgten. Einen Zwischenstopp gönnte ich mir an einem Freibad. Echtes Dorfleben, Eintritt war über den Förderverein geregelt, die Fahrräder vor der Tür standen einfach rum, die Autofenster waren offen. Als Stadtmensch für mich nah am Unvorstellbaren.

Ich folgte dem Tauber-Jagst-Radweg, der in den Jagst-Kocher-Radweg überging und hatte richtig Spaß, aber irgendwann entschied ich mich doch für die Hotelsuche. Zum einen war ich nicht sicher, wie lange man noch spontan ein Zimmer finden würde, zum anderen musste ich ja noch zu Abend essen, waschen und mich frisch machen. In Ellwangen kam ich nach 155km und mehr als 1600 Höhenmetern unter.

Ewiges Auf und Ab

Leichter Dunst hing noch über Erfurt, als ich startete. Es dauerte etwas, bis sich das Garmin einkriegte bei der Berechnung der Route, während ich schonmal nach Gefühl losgefahren war, aber schließlich fand ich meinen Weg und mein Navi sind Contenance.

Allee in Thüringen
Allee in Thüringen

Wie so häufig ist die Ausfahrt aus Städten mit großen Straßen und Verkehr verbunden, aber an den Stellen, wo es keinen begleitenden Radweg gab, waren die Autofahrer ungewohnt fair. Das ist gerade bei den vielen Steigungen, wo man langsam voran kommt sehr wichtig. Und Steigungen gab es, bis Ilmenau waren es gerade 40km und ich hatte schon 500 Höhenmeter auf der Uhr.

Hinter Ilmenau ging es dann aber richtig zur Sache, eine lange Steigung mit mehr als 10% erwartete mich. Und in der Abfahrt auf einer engen kurvigen Straße ein Autofahrer, der es wohl eilig hatte und der hinter mir drängelte. Bis er versuchte, die erste Kurve in der gleichen Geschwindigkeit wie ich zu nehmen. Ich hörte quietschende Reifen, fliegenden Kies. Haarscharf ging es gut. Und ich verlor den Kandidaten aus dem Rückspiegel, da seine Eile offenbar schlagartig nachgelassen hatte.

Wetter voraus
Wetter voraus

Auf ruhigen Straßen fuhr ich weiter, auf dem Rennsteig Radwanderweg, der sich auf den Bergen hielt und dann runter nach Hildburghausen. Hier beschloss ich, eine Mittagspause einzulegen, bevor es auf die letzten Kilometer nach Haßfurt ging, wo ich mir eine Bleibe gesucht hatte.

Zwischendurch hörte ich hinter mir dumpfes Grollen, Gewitter bildeten sich um mich herum. Eines lag dann genau vor mir und ich näherte mich langsam. Weniger die Regentropfen, mehr die Häufigkeit an Blitzen und zunehmend kürzere Zeiten zwischen Blitz und Donner veranlassten mich, Schutz zu suchen. Eine Trauerhalle bot ihn mir. Draußen zog das Gewitter langsam durch. Drinnen bemerkte ich, dass etwas aus meiner Hecktasche tropfte. Ich hatte die Getränkeblase falsch gepackt und die Traubenschorle hatte sich in meine Tasche ergossen und die ungeschützten Dinge verklebt. Ein Problem für später.

Irgendwann ließen Blitze und Regen nach und ich fuhr weiter, die Straßen waren zunächst noch feucht, aber sie trockneten schnell. Gegen 18:30 Uhr erreichte ich dann das Hotel. Erste Aktion: Sachen waschen.