Tag 2: Namur – Charleville-Mézières

Ich wachte früh auf und hatte nur mäßig geschlafen. Immerhin war ich so auch früh beim Frühstück, brauchte aber anschießend etwas Zeit, meine Dinge zu ordnen und zu packen, die ganze Routine ist noch nicht da. Und ich spürte meine Beine.

Das bestätigte sich auch beim Losfahren, ich hatte es am ersten Tag übertrieben und vor allem den Energiehaushalt vernachlässigt und das rächte sich nun. Beim Rollen durch die Stadt war es noch OK, als ich dann auf den Radweg an der Maas kam (Eurovelo 19), da war ich heilfroh, dass die Flussradweg-Etappe vorwiegend flach war.

Auf Tempo kam ich nicht und die 140 Kilometer bis Charleville hatte ich schnell abgeschrieben und mich darauf eingestellt, nach 30 oder 40 Kilometern einen netten Ort und eine Unterkunft zu suchen und einen (halben) Ruhetag einzuschieben. Doch es kam anders.

Neben den (meist älteren, männlichen) Rennradlern und den üblichen Flussradweg-E-Bike-Touristen tauchte vor mir eine Liegeradsilhouette auf. Ich schaffte es, den anderen Liegeradler einzuholen und es stellte sich heraus, dass dieser aus Österreich stammte und gerade auf einer Tour Nordkap-Gibraltar war. Das war natürlich neben der gemeinsamen Vorliebe für das liegende Radfahren interessanter Gesprächsstoff! Und so vergingen die Zeit und die Kilometer wie im Fluge und und meine Beine fühlten sich schlussendlich deutlich besser als am Morgen an.

Als Dieter dann in Richtung Paris abbog (bzw. dem kurzen Stück Bahnradweg weiter folgte und ich zur Maas zurückkehrte), hatte ich schon über 60km auf der Uhr und war guter Dinge, zumindest die 100km noch zu schaffen. Bei 75km – und damit zumindest etwas früher als am Vortag, da es aber flach war eigentlich viel früher – machte ich dann eine Pause mit Getränken und etwas herzhaftem und süßem Gebäck aus der Boulangerie. Anhand der Getränke – es gab Orangina und Schweppes Agrum, vor allem aber Größen jenseits 0,2 Liter) – merkte ich auch, dass ich mittlerweile die Grenze nach Frankreich überquert hatte.

Vor der Weiterfahrt half ich noch einem belgischen Pärchen auf einem Tandem aus, die keine Pumpe, aber sehr wenig Luft auf dem Reifen hatten. Und nach der Pause fühlte ich mich gut genug, um eine Etappe bis Charleville wieder in Betracht zu ziehen. 25km vor Charleville machte ich mit zwei Franzosen noch eine kurze Pause in einer geschlossenen Bar, die immerhin Sitzmöglichkeiten und Schatten bot und buchte mir dann ein Zimmerchen in Charleville. Danach ging es erst ganz gut, die letzten 15km waren dann aber doch nochmal anstrengend. Nichtsdestotrotz kam ich gut gelaunt an.

Ich gönnte mir ein Galette auf dem Marktplatz, machte einen kleinen Stadtrundgang und besorgte im Supermarkt noch Versorgung für den kommenden Tag, dann ging es totmüde ins Bett.

Tag 1: Aachen – Namur

Zum Frühstück beim Bäcker gab es als Begrüßung: „Eigentlich haben wir noch nicht offen! Sie können nur draußen sitzen, drinnen geht nicht wegen Versicherung und kostet Strafe!“ – also gab es herzhaftes und süßes Brötchen dann draußen bei 14°C, das war aber nicht so wild.

Anschließend folgte die Fahrt aus Aachen heraus auf weitgehend leeren Straßen, aber typisch für die Stadt mit ein paar kleinen Anstiegen. Der letzte Anstieg zum Dreiländereck Belgien-Niederlande-Deutschland hatte es mit knapp 15% dann aber in sich. Den „Drilandenpunt“, nahezu deckungsgleich mit dem höchsten Punkt der europäischen Niederlande (322m) hatte ich mir als „offiziellen“ Startpunkt ausgesucht.

Nach einer kurzen Abfahrt gab es dann erstmal einen Bahnradweg bis zum Erreichen der Maas in Liège/Lüttich. Dieser hatte ein paar kleine Steigungen und Gefälle bis zu etwas mehr als zwei Prozent, fuhr sich bis auf die unvermeidlichen Straßenkreuzungen recht angenehm. Dem Stadtgebiet entkommt man dann durch Industriegebiete, die auch in diesem Bereich das Bild des Flusses prägen.

Zwar gab es am Fluss hin und wieder Sitzbänke als Pausengelegenheiten, diese boten allerdings keinen Wetterschutz – und Schatten war bei fast 30°C beim Anhalten unverzichtbar. So genoss ich am Marktplatz von Huy ein Mittag und noch ein Eis, bevor ich mich auf den Rest des Weges machte, als heutiges Ziel hatte ich Jambes / Namur auserkoren. Die Hotels waren bezahlbar, die Infrastruktur gut. Das waren ab Huy noch etwa 30 Kilometer, die mir allerdings nach dem viel zu späten Essen doch recht schwer fielen.

In Namur hatte ich ein Hotel in Bahnhofsnähe. Nach dem Duschen besorgte ich Saft und Riegel für den kommenden Tag im geöffneten Supermarkt im Bahnhof (Infrastruktur!), dann machte ich einen Spaziergang durch die Stadt. Obwohl ich wenig Appetit hatte aß ich noch eine Kleinigkeit und regulierte auch den Flüssigkeitshaushalt, damit der folgende Tag nicht zum Zwangsruhetag wird.

Tag 6: Fischbach – Aachen

Da wir heute gute 135km mit einigen Höhenmetern auf dem Programm hatten, war der Plan, zeitig wegzukommen. Wir frühstückten direkt um acht Uhr, hatten die Taschen bereits gepackt und unsere Fahrradbekleidung an. Nach dem Frühstück gingen wir zu den Rädern – und Micha musst erst einmal das Hinterrad flicken, er hatte einen Platten.

Auf einem am Vorabend schnell zusammengerouteten Weg fanden wir schnell zurück zu unserem Track, hatten aber schon wieder kurze Rampen mit ordentlich zweistelligen Prozenten zu bewältigen. Dann ging es auf einem unfertigen Bahnradweg neben einer aktiven Bahntrasse ein Stück weiter und noch einmal über einen steilen Hügel nach Troisvierge, wo wir auf den Vennbahnradweg stießen. Die Auffahrt hat auch gute 10% und Serpentinen, dann geht es teils auf der alten Bahnstrecke, teils aber auch auf Umfahrungen los, so dass noch mehr Höhenmeter zusammenkamen. Wir merkten dies nach der gestrigen Etappe sehr gut in unseren Beinen.

Die Überquerung der Grenze in unser fünftes und letztes Land, Belgien, merkten wir nur an der Nachricht, dass das Smartphone jetzt im belgischen Netz mit den gleichen Bedingungen wie zu Hause unterwegs sei. In St. Vith gönnten wir uns eine kurze Pause. Wie üblich in Belgien oder Luxemburg, gibt es Getränke nur in klein. So bestellten wir gleich 4 Cola, zwei für jeden. Den letzten bedeutenden Anstieg hatten damit auch hinter uns gebracht, aber einige Höhenmeter, wenn auch nur im bahntrassenüblichen unteren Prozentbereich, lagen noch vor uns.

Aus heiterem Himmel bildete sich über uns eine Regenwolke, regnete sich aus, während wir Zuflucht in einer kleinen Schutzhütte zusammen mit einem belgischen älteren Rennradler mit Carbonrad fanden. So schnell, wie der Regen und die Wolke gekommen waren, so schnell verschwand beides wieder und die Fahrt ging sonnig weiter.

Während der Radweg bis Küchelscheid mitten durch Belgien verläuft, beginnt anschließend eine Besonderheit: Bis kurz vor Raeren verläuft die alte Bahntrasse zwar mitten durch Deutschland, ist aber belgisches Staatsgebiet – wenige Meter links und rechts der Strecke befindet sich also jeweils eine Staatsgrenze. Wobei das weniger spektakulär als der Weg nach Steinstücken im alten Westberlin ist, denn wenn man die Karte nicht konsultiert, dann kriegt man davon nichts mit.

Die letzten ca 40 Kilometer nach Aachen geht der Weg auch nur noch leicht bergab, man kann mit recht hoher Geschwindigkeit bei geringem Aufwand dahinradeln. Oder sagen wir: man könnte. Zum einen gibt es die ein oder andere Kreuzung mit Straßen, wo man entweder Vorfahrt hat, aber so schlecht sehen kann, dass man besser nicht mit 40km/h durchrauscht oder die Straße hat Vorfahrt, dann auch in der Regel gut kenntlich mit genügend breiten Drängelgittern. Zum anderen ist der Weg auch bevölkert mit vielen Radfahrenden, die nicht alle – ich drücke es diplomatisch aus – mit der Anwesenheit anderer Radler rechnen und Klingelsignale entweder gänzlich ignorieren oder sie zum Anlass nehmen, wild durcheinander in alle Richtungen zu fahren.

Um kurz nach 17 Uhr kamen wir in Aachen an, bezogen unsere Unterkunft direkt am Ende des Radweges und gingen nach dem Duschen Essen und machten uns einen gemütlichen Abend.

Antwerpen – Hoek van Holland

Unten im Hotel gab es die Möglichkeit zu frühstücken, die wir auch nutzten. Danach machten wir die Räder fertig und checkten aus. Die Strecke vom Hotel zum Track in Richtung Norden lief trotz des Montagmorgen-Berufsverkehrs recht geschmeidig. Unser Track war im wesentlichen der Fietssnellweg 14, also ein gut ausgebauter Radschnellweg.

Entlang-der-Bahn-Radweg

Von Antwerpen bis Essen (das belgische Essen, direkt an der niederländischen Grenze) verlief der Weg hauptsächlich neben einer Bahnstrecke. Flach, ohne große Unterbrechungen. An ein paar wenigen Stellen ging es kurz von der Bahn weg, entweder wegen baulicher Gegebenheiten oder an einer Stelle wegen einer Baustellenumleitung.

In den Niederlanden hatten wir zunächst keinen Radschnellweg und nur kleine Straßen, die keine oder nur aufgemalte Radinfrastruktur hatten, ein Konzept, mit dem Niederländer ziemlich schlecht zurechtkommen. Die belgischen Autofahrer sind definitiv um einiges zuvorkommender und rücksichtsvoller. Niederländer sind, sobald die Infrastruktur es nicht verhindert, kaum von Deutschen zu unterscheiden.

An der Maeslantkering (Maasland-Sperrwerk)

Bis Roosendaal hatten wir aber zumindest den Komfort eines kleinen Radwegs, der entlang eines Baches führte und dann in einem Grüngürtel in die Stadt. Hinter Roosendaal erwartete uns die Fahrt entlang einer großen Straße und später auf Deichen. An einer Stelle stoppte uns eine Baustelle, aber dank guter Openstreetmap Karten fanden wir eine Umfahrung mit einer kurzen Schiebestrecke über einen Fußpfad, so dass uns die lange offizielle Umleitung erspart blieb.

Die Fahrt neben der Autobahn über die großen Flussdelta war beeindruckend, aber auch anstrengend und wir waren froh, als wir wieder auf ruhige Straßen abbiegen konnten. Eine erste kurze Fährüberfahrt über die Spui vor Spijkenisse brachten wir hinter uns, entschlossen uns aber, in Spijkenisse eine Pause einzulegen und etwas zu essen.

Dann ging es durch den Hafen von Rotterdam, unendliche Mengen von Straßen, Bahnstrecken, Schiffen, LKW, Zügen ringsum und natürlich die Industrieanlagen bis zum Horizont. Mit der zweiten Fähre des Tages wechselten wir bei Maassluis auf die andere Seite des Flusses, dann ging es auf einem schönen Weg direkt am Fluss entlang.

Am Nordseestrand

Die Attraktion des Tages war natürlich Maeslantkering, das Maasland-Sperrwerk – eine riesige Anlage, die Rotterdam vor Sturmfluten schützt, indem zwei riesige Tore den Fluss vor dem Einströmenden Wasser der Nordsee verschließen. Es gibt dort einen Hügel, der den Blick auf das Bauwerk zulässt.

In Hoek van Holland angekommen, fuhren wir erst einmal an die Nordsee und genossen den Duft der See, nachdem wir durch den Rotterdamer Hafen gefahren waren. Dann ging es zum Hotel. Es folgte die übliche Routine: frisch machen, kurzer Spaziergang, essen. Zum Nachtisch plünderten wir noch den örtlichen Supermarkt.

Hasselt – Antwerpen

Nach dem Frühstück holten wir unsere Räder raus und machten uns fertig zum Aufbruch. Der Himmel war grau aber der Wetterbericht verhieß Besserung über den tag, ich hatte mich sicherheitshalber mit Sonnencreme geschützt. Dann setzten wir eine Route zurück zum Track in Zonhoven.

Fietsen door de Bomen

Trotz einer kleinen Baustellenumleitung – diese sind hier auch für Fahrräder perfekt ausgeschildert – trafen wir wie geplant auf unseren Track und dann bogen wir auch sogleich auf einen Bahnradweg ab, auf dem wir bis Wijchmaal nahezu ungestört durch den Wald fuhren. Zwischendurch überholte uns eine kleine Gruppe Rennradler, an die wir uns dann bis zu unserer Abbiegung dran hängten.

Den Fahrrad-Baumwipfelpfad Fietsen door de Bomen („Radfahren durch die Bäume“) erreichten wir nach nicht einmal 30 Kilometern, die letzte der drei Fahrradattraktionen auf dem Weg. Viele Radfahrer, selbst Rennradgruppen, nutzen den Kreisel für eine kurze Pause, es ist viel los, aber nicht überfüllt. Wir treffen hier auf die Gruppe vom Bahnradweg, die uns Respekt zollt, weil sie viel länger gebraucht hatten, uns einzuholen, als sie dachten.

Radfahren am Albertkanaal

Als nächstes geht es dann am Kana(a)l von Beverlo entlang und nach ein paar Ortsdurchfahrten auf auf ruhigen Straßen auf den nächsten Bahnradweg, der uns bis zum Albertkana(a)l bringt, an dem wir auf autofreien Wegen dann in Richtung Westen unterwegs sind. Bei einer Pause kurz vor Herenthals in einem Café am Radweg entscheiden wir dann, wie wir weiter fahren: die lange Strecke über Gent und Brügge an die Nordsee oder die kürzere über Antwerpen und dann nördlich bis Rotterdam. Die Entscheidung fällt für die kürzere, da wir nicht ganz so schnell vorangekommen sind in den letzten Tagen, wie wir dachten. Folglich geht es dann die letzten 30 Kilometer weiter am Kanal entlang, bis in den Norden von Antwerpen.

Da die Hotelsituation in Antwerpen entspannt ist, fahren wir einfach zu einem, das nah an der Innenstadt und nicht allzu weit vom Routeneinstieg für den kommenden Tag entfernt ist. Wir klären die sichere Unterbringung der Räder und buchen dann das Zimmer.

Nachdem wir uns frisch gemacht haben, machen wir einen kleinen Stadtrundgang in Antwerpen und gehen noch Essen. Anschließend geht es müde ins Hotel, ausruhen für den kommenden Tag.

Gefahren: 116 km