Den Morgen beginnen wir zeitig und als wir um 07:30 Uhr zum Frühstück gingen, waren die Taschen bereits gepackt. So konnten wir um ca. zwanzig nach acht abfahren. Als kleines Extra legten wir einen Umweg ein – über das Stilfserjoch, italienisch Stelvio.
Von der Unterkunft ging es direkt auf die Strasse zum Pass. Uns trennten etwa 24km und 1800 Höhenmeter von dort. Rechnerisch sind das irgendwo zwischen sieben und acht Prozent – im Schnitt. Zunächst zog sich die Strecke durch das schattige Tal, trotz Temperaturen um die 11°C am Morgen tat der leichte Anstieg von vielleicht 3%-5% seine Wirkung und uns wurde warm. Bald schon wurden 6% bis 7% daraus und es taten sich Blicke auf die umliegenden Berge auf.
Der Verkehr war mäßig, hinter Trafoi fast noch schwach. Erst mit fortschreitender Uhrzeit wurden es mehr Motorräder, Autos und Sportwagen. Gerade letztere zeichneten sich dadurch aus, genauso langsam wie jede Reisschüssel den Berg hoch zu fahren, das dafür aber unter ohrenbetäubendem Lärm. Ein Konzept, was sich mir nicht vollständig erschliesst. Neben vielen vernünftigen und oft sogar nett grüßenden Motorradfahrern, gab es natürlich auch wieder die unvermeidlichen Idioten, über die man bei der Lektüre über das Radfahren auf Alpenpässen häufig liest. Insgesamt nicht so ruhig, wie vor zwei Jahren in den Pyrenäen, aber weit weniger problematisch, als ich es befürchtet hatte, zumal nach tagelangem Fahren fernab vom motorisierten Verkehr.
Irgendwann begannen dann die Kehren. 48 sind es an der Zahl und von unten kommend zählt es rückwärts. Zunächst kommen zwei, dann zieht es sich am Berg langsam aufwärts, dann noch ein paar und schliesslich öffnet sich der Blick auf eine schier unendlich scheinende Zahl an Kehren bis zum Pass weit oben. Etwa neun Kilometer vor dem Pass wurde es dann langsam auch recht anstrengend zu fahren und so fragte ich Michael, ob es für ihn ok wäre, wenn ab dort bis oben jeder seinen eigenen Takt fährt und er stimmte zu.
Da ich eine bessere Übersetzung im unteren Bereich habe, vier Zähne mehr auf dem großen Ritzel, konnte ich auf den steileren Passagen schonender fahren und erreichte den Pass etwas vorher. Dort traf ich noch die zwei Radler vom netten Restaurantgespräch am Vorabend.
Micha wurde zusätzlich durch einen Motorradunfall (mit wohl nur leichten körperlichen Blessuren aber einem großen Schreck), den ich nur hinter mir mitbekam (und sah, dass Helfer vor Ort waren) und einen technischen Defekt einer anderen Radfahrerin, bei dessen Behebung er behilflich war aufgehalten. So hatte ich die Möglichkeit von der über dem Pass gelegenen Hütte Fotos zu schliessen, als er die letzten Kehren nahm.
Er wurde wie ich begeistert von Motorradfahrern und Radfahrern am Pass empfangen, dann gönnten wir uns auf der Hütte etwas zu essen und viel zu trinken. Die Hitze der letzten Kehren in der Mittagssonne verflog bei 13°C recht schnell und für die Abfahrt zogen wir uns ohnehin warm an.
Zurück ging es über den Umbrail und damit einige Kilometer durch die Schweiz. Solch eine Abfahrt mit vielen Spitzkehren ist immer ein guter Test für die Bremsen und die korrekte Beherrschung derselben – speziell mit einem beladenen Rad.
In Laatsch, zurück in Italien, gönnten wir uns ein Eis und besorgten uns eine Unterkunft, den Reschenpass am gleichen Tag wollten wir nicht noch mitnehmen.