Tag 6: Escolives-Saint-Camille – Corbigny

Die Wirtin hatte ein nettes Frühstück bereitet und der das verletzte kleine Hündchen schlief im Nebenraum. Ich bekam noch etwas Sirup für die Trinkblase spendiert, dann ging es los, um der Nationalstraße zu entgehen über einen engen Trampelpfad zurück zum Rad an der Yonne.

Nach nur wenigen Kilometern war klar, was ich morgen nach dem Aufstehen schon geahnt hatte, das Problem, das mich seit einigen Tagen bremste und verfolgte war eine (leichte) Blasenentzündung. Ohne Fieber und Schmerzen zwar, aber doch mindestens störend, wenn man alle paar Kilometer plötzlich dringend einen Baum braucht.

Damit war nicht nur klar, dass der morgige Ruhetag unausweichlich war, es war auch klar: Der Tag würde keine 100 Kilometer oder mehr lang werden. Aus der Not machte ich einen Plan und nahm mir vor, so weit zu fahren, dass am Sonntag eine angenehme, nicht zu lange Etappe nach Nevers anstehen würde.

Die Fahrt an sich war problemlos. Der Weg zwar nicht immer perfekt ausgebaut, aber doch überall gut mit 28mm Reifen fahrbar. Am Fluss bzw. Kanal gab es außer ein paar kurzen Rampen an Schleusen oder Brücken, die keine Durchfahrt hatten, keine Steigungen. Die häufigen Zwangspausen bremsten die Fahrt dann aber doch.

Gegen Mittag gönnte ich mir einen Snack und ein Getränk in Clamecy und schaute, welche Möglichkeiten sich so boten. Die Auswahl an Orten, die eine gewisse Größe und damit Infrastruktur wie Supermarkt und Unterkunft bieten, ist an der Yonne bzw. Canal du Nivernais eher klein. Und so kam ich irgendwann auf Cobigny, etwa zwei Kilometer abseits des Radweges. Ohne Vorbuchung bog ich ab und steuerte ein als tauglich empfundenes Hotel im Ort an. Es gab Platz für mich und mein Fahrrad, der Preis war auch in Ordnung. Damit war mein Ruhetag geplant.

Als erstes duschte ich, wusch meine Fahrradkleidung nach 6 Tagen Fahrt aus, dann besorgte kleine Vorräte im örtlichen Aldi(!) und besuchte dann eines der beiden geöffneten französischen Restaurants, wo es ein gutes Essen zu einem fairen Preis gab.

Tag 2: Namur – Charleville-Mézières

Ich wachte früh auf und hatte nur mäßig geschlafen. Immerhin war ich so auch früh beim Frühstück, brauchte aber anschießend etwas Zeit, meine Dinge zu ordnen und zu packen, die ganze Routine ist noch nicht da. Und ich spürte meine Beine.

Das bestätigte sich auch beim Losfahren, ich hatte es am ersten Tag übertrieben und vor allem den Energiehaushalt vernachlässigt und das rächte sich nun. Beim Rollen durch die Stadt war es noch OK, als ich dann auf den Radweg an der Maas kam (Eurovelo 19), da war ich heilfroh, dass die Flussradweg-Etappe vorwiegend flach war.

Auf Tempo kam ich nicht und die 140 Kilometer bis Charleville hatte ich schnell abgeschrieben und mich darauf eingestellt, nach 30 oder 40 Kilometern einen netten Ort und eine Unterkunft zu suchen und einen (halben) Ruhetag einzuschieben. Doch es kam anders.

Neben den (meist älteren, männlichen) Rennradlern und den üblichen Flussradweg-E-Bike-Touristen tauchte vor mir eine Liegeradsilhouette auf. Ich schaffte es, den anderen Liegeradler einzuholen und es stellte sich heraus, dass dieser aus Österreich stammte und gerade auf einer Tour Nordkap-Gibraltar war. Das war natürlich neben der gemeinsamen Vorliebe für das liegende Radfahren interessanter Gesprächsstoff! Und so vergingen die Zeit und die Kilometer wie im Fluge und und meine Beine fühlten sich schlussendlich deutlich besser als am Morgen an.

Als Dieter dann in Richtung Paris abbog (bzw. dem kurzen Stück Bahnradweg weiter folgte und ich zur Maas zurückkehrte), hatte ich schon über 60km auf der Uhr und war guter Dinge, zumindest die 100km noch zu schaffen. Bei 75km – und damit zumindest etwas früher als am Vortag, da es aber flach war eigentlich viel früher – machte ich dann eine Pause mit Getränken und etwas herzhaftem und süßem Gebäck aus der Boulangerie. Anhand der Getränke – es gab Orangina und Schweppes Agrum, vor allem aber Größen jenseits 0,2 Liter) – merkte ich auch, dass ich mittlerweile die Grenze nach Frankreich überquert hatte.

Vor der Weiterfahrt half ich noch einem belgischen Pärchen auf einem Tandem aus, die keine Pumpe, aber sehr wenig Luft auf dem Reifen hatten. Und nach der Pause fühlte ich mich gut genug, um eine Etappe bis Charleville wieder in Betracht zu ziehen. 25km vor Charleville machte ich mit zwei Franzosen noch eine kurze Pause in einer geschlossenen Bar, die immerhin Sitzmöglichkeiten und Schatten bot und buchte mir dann ein Zimmerchen in Charleville. Danach ging es erst ganz gut, die letzten 15km waren dann aber doch nochmal anstrengend. Nichtsdestotrotz kam ich gut gelaunt an.

Ich gönnte mir ein Galette auf dem Marktplatz, machte einen kleinen Stadtrundgang und besorgte im Supermarkt noch Versorgung für den kommenden Tag, dann ging es totmüde ins Bett.

Tag 1: Aachen – Namur

Zum Frühstück beim Bäcker gab es als Begrüßung: „Eigentlich haben wir noch nicht offen! Sie können nur draußen sitzen, drinnen geht nicht wegen Versicherung und kostet Strafe!“ – also gab es herzhaftes und süßes Brötchen dann draußen bei 14°C, das war aber nicht so wild.

Anschließend folgte die Fahrt aus Aachen heraus auf weitgehend leeren Straßen, aber typisch für die Stadt mit ein paar kleinen Anstiegen. Der letzte Anstieg zum Dreiländereck Belgien-Niederlande-Deutschland hatte es mit knapp 15% dann aber in sich. Den „Drilandenpunt“, nahezu deckungsgleich mit dem höchsten Punkt der europäischen Niederlande (322m) hatte ich mir als „offiziellen“ Startpunkt ausgesucht.

Nach einer kurzen Abfahrt gab es dann erstmal einen Bahnradweg bis zum Erreichen der Maas in Liège/Lüttich. Dieser hatte ein paar kleine Steigungen und Gefälle bis zu etwas mehr als zwei Prozent, fuhr sich bis auf die unvermeidlichen Straßenkreuzungen recht angenehm. Dem Stadtgebiet entkommt man dann durch Industriegebiete, die auch in diesem Bereich das Bild des Flusses prägen.

Zwar gab es am Fluss hin und wieder Sitzbänke als Pausengelegenheiten, diese boten allerdings keinen Wetterschutz – und Schatten war bei fast 30°C beim Anhalten unverzichtbar. So genoss ich am Marktplatz von Huy ein Mittag und noch ein Eis, bevor ich mich auf den Rest des Weges machte, als heutiges Ziel hatte ich Jambes / Namur auserkoren. Die Hotels waren bezahlbar, die Infrastruktur gut. Das waren ab Huy noch etwa 30 Kilometer, die mir allerdings nach dem viel zu späten Essen doch recht schwer fielen.

In Namur hatte ich ein Hotel in Bahnhofsnähe. Nach dem Duschen besorgte ich Saft und Riegel für den kommenden Tag im geöffneten Supermarkt im Bahnhof (Infrastruktur!), dann machte ich einen Spaziergang durch die Stadt. Obwohl ich wenig Appetit hatte aß ich noch eine Kleinigkeit und regulierte auch den Flüssigkeitshaushalt, damit der folgende Tag nicht zum Zwangsruhetag wird.

Tag 4: Vandières – Wellen

Wir starteten mit einem typisch französischen Frühstück und etwas Sirup Grenadine für den Geschmack in der Getränkeblase, weil es im Ort keinen Supermarkt gab, um Saft aufzutreiben. Anschießend zogen wir uns um und machten die Räder fertig. Als wir nahezu abfahrbereit waren, kündigte ein hässliches Geräusch das nur Sekundenbruchteile später eintretende Ungemach an: Michas Fahrradständer war in der Mitte gebrochen.

Da man auch mit einem halben Fahrradständer noch problemlos fahren kann, machten wir uns auf den Weg. Der Track führte zum größten Teil auf Radwegen entlang der Mosel entlang, nur selten ging es mal auf ruhigen Straßen oder einem straßenbegleitenden Radweg weiter. Der Lärm der Autobahn brüllte aber öfter mal durch’s Tal, so dass es nicht ganz so abgeschieden und ruhig, wie auf weiten Teilen des Rhein-Marne-Kanalwegs war. Die Landschaft war indes schön, leichte Hügel und immer wieder eine Abwechslung zwischen Fluss und Kanal begleiteten uns. Teils war der Weg zwischen einem kanalisierten und einem natürlichen Teil angelegt.

Während wir von Metz auf dem Radweg nur wenig mitbekamen und es dort auch kein nahe des Weges gelegenes Fahrradgeschäft gab, fanden wir einige Kilometer später in Thionville sehr nahe am Track einen offenen Laden, der Micha einen neuen Fahrradständer verkaufte und diesen auch montierte. Wir nutzten den etwas größeren Ort dann auch gleich für einen Mittagssnack in der Fußgängerzone, bevor wir uns wieder aufmachten.

Zwischen Contz-les-Bains und Sierck-les-Bains ging es auf die andere Flußseite, gleichzeitig ändert sich hier die Landschaft, es geht in ein tieferes Tal, an den Hängen wachsen hier die Trauben für den Moselwein. Kurz danach kommt Apach und die Grenze zu Deutschland, den Ort Perl streiften wir nur, denn es ging schon nach wenigen Metern auf die Brücke nach Luxemburg. Damit erreichten wir den für die Tour zentralen Ort Schengen. Wir freuten uns darüber, seit dem Beginn unserer Radtour grenzenlos zwischen der Schweiz, Deutschland, Frankreich und Luxemburg gewechselt zu haben, Belgien und einige Grenzverlaufskuriositäten liegen noch vor uns.

Nach einem Fotobesuch an den Nationensäulen mit den Sternen für die verschiedenen Mitgliedsländer gönnten wir uns noch eine Cola im örtlichen Café und buchten ein Hotel für den Abend, auf der deutschen Moselseite, aber fußläufig zu einer Brücke nach Luxemburg. Wir wechselten in Remich noch einmal die Flußseite und damit das Land, dann ging es nach Wellen. Zum Abendessen liefen wir über die Brücke ins luxemburgische Grevenmacher. Schengen Ultras eben!

Tag 3: Sarrebourg – Vandières

Das Frühstück im Hotel war für französische Verhältnisse mehr als ausreichend und wir hatten uns bereits in Fahrradklamotten geworfen und die Taschen gepackt. Im Hotel trafen wir noch zwei andere Fahrradtouristen, die in entgegengesetzter Richtung unterwegs waren.

Wir starteten mit einer kleinen Tour durch den Park in Sarrebourg und dann zu unserem Track, zunächst auf einer alten Bahntrasse. Die Abbiegung auf unseren Track war so unscheinbar, dass wir erst einmal vorbei fuhren, doch dank Navi fanden wir den Wg dann doch schnell. Am Kanal ging es mit wassergebundenen Wegen los, aber selbst mit 28mm Reifen war das Fahren kein Problem, nur eben etwas langsamer. Bei unseren geplanten Tagesetappen aber störte das nicht.

Hinter Gondrexange am Wasserstraßenkreuz wäre die Abbiegung auf den EV5 in Richtung Saarbrücken gewesen, wir hatten uns aber bereits im Vorfeld entschieden, lieber über Nancy, Metz und natürlich Schengen weiter zu fahren. So machten wir nur Pause, schauten die Brücke an (Treppen mit Schiebeschienen), über die wir nun zum Glück nicht rüber mussten und fuhren dann bald weiter am Rhein-Marne-Kanal entlang. Heute sahen wir viele Hausboote der großen Vercharterer auf dem Kanal und natürlich auch jede Menge gekonnter und nicht so gekonnter Schleusenmanöver.

Wenig später kamen wir zur Schleuse Réchicourt, der höchsten an diesem Kanal mit 15,7m Hub – ein beeindruckendes Bauwerk und natürlich eine tolle Chance über das Land zu schauen. Ab dieser Schleuse geht es dann auch wieder bergab, der Kanal hat den Berg überwunden. Der Radweg ist auch perfekt asphaltiert und mit etwas Rückenwind geht es flott voran. Mittlerweile sind auch wieder einige Radler unterwegs.

Das Navi sagt für Nancy (etwa 80km ab Start) eine Ankunft gegen 13:30 Uhr voraus. Da wir allerdings in Frankreich lieber etwas früher essen wollen und auch nicht wirklich in die Innenstadt fahren möchten, beschließen wir, an der Route eine Gelegenheit zu suchen. Diese bietet sich in Einville-au-Jard am Hafen, Der Plan nur etwas Kleines zu snacken geht allerdings nicht auf, wir verspeisen ein „Menu du jour“, das typische 3-gängige Tagesmenü.

Anschließend kommen wir an den Salinen zwischen Einville und Nancy vorbei und erreichen die Außenbezirke bald. Die Route geht durch ein paar Industrieviertel und biegt dann auf einen kleinen Weg an der Mosel ab. Vom Stadtverkehr bekommen wir so gut wie nichts mit, dafür öffnet sich hier und da der Blick über das Tal.

Das Fahren an der Mosel ist natürlich nicht ganz so, wie am Kanal, es geht öfter mal etwas weg vom Fluss, die Brücken beim Seitenwechsel sind größer und ab und zu müssen wir kurze Stücke auf der Landstraße fahren – oft sind aber Radspuren ausgewiesen und die meisten Autofahrer nehmen viel Rücksicht.

Irgendwann müssen wir uns Gedanken machen, wo wir heute bleiben wollen und sehen als nächsten etwas größeren Ort Pont-à-Mousson auf der Karte. Am Marktplatz gönnen wir uns etwas zu trinken im Café und schauen nach Hotels. Eins scheint brauchbar und wir beschließen, direkt zu fragen, statt eines der Buchungsportale reich zu machen. Auf dem Weg hat Micha einen Platten. Ich fahre vor und finde auch nur heraus, dass das Hotel bereits voll ist. Während Micha seinen Reifen flickt, rufe ich in einem Hotel im nächsten Ort Vandières und buche ein Zimmer. Die restlichen 6km sind schnell gefahren und wir kriegen sogar noch ein kleines Abendessen im Hotel und können anschließend einen Spaziergang im Sonnenuntergang machen.