Macon – Dole

Den Tag ging ich langsam an. Tags zuvor war ich über 150 Kilometer gefahren und am Ende noch ziemlich gesprintet, das saß mir in den Beinen. Aus Macon fuhr ich auf ein paar kleinen Straßen, dann ging es auf den Bahnradweg in Richtung Chalon-sur-Saône.

Auf den ersten Kilometern ist der Weg teilweise durch die TGV-Strecke oder andere Dinge überbaut und einige der alten Bahnbrücken fehlen, so dass er etwas mehr Steigungen bereithält, als für einen Bahnradweg üblich. Dafür geht es durch den alten Eisenbahntunnel, der sehr gut hergerichtet ist. Dezente Beleuchtung geht für hindurchfahrende Radfahrer vor ihnen an. Es ist kühl, angenehm bei den ansonsten sehr warmen Temperaturen.

Bis Cluny geht es dann neben der TGV Strecke entlang und dann durchgehend auf der alten Bahnstrecke mit nur mäßigen Steigungen und bald auch Gefälle, wenn es in Richtung Chalon-sur-Saône geht. An der Strecke gibt es sogar einige Möglichkeiten zu rasten, unter anderem eine nette Pizzeria. Dort trifft man natürlich auch immer viele andere Radler.

Die Fahrt durch Chalon ist zwar teils als Radweg, teils auf kleinen Straßen ausgeführt, aber doch nicht ganz störungsfrei. Dafür geht es anschließend auf dem EuroVelo 6 (EV6) an der Saône entlang und bald zum Canal du Rhône au Rhine. Da kaum größere Orte auf dem Weg liegen, wählte ich als Ziel Dole, womit es dann eine Etappe von knapp mehr als 170 Kilometern werden sollte. Die Online Buchungssituation erwies sich als schwierig (Stichwort: Radunterbringung), so dass ich beschloss ins Risiko zu gehen und vor Ort ein Hotel zu nehmen.

Auf den letzten paar Kilometern bis Dole hatte ich dann wieder eine Begegnung mit meinem Lieblingsfranzosen: Er ist ca 70 bis 80 Jahre alt, sitzt auf einem Rennrad und egal, ob Wind, Regen, Steigung oder Hitze: er überholt mit einem freundlichen „Bonjour!“. Es ist für ihn kein Problem, wenn man sich dann hinten dran hängt oder ein kleines Freundschaftsrennen fährt (das keiner gewinnen will). Am Ende versichert man sich des gegenseitigen Respekts für die jeweilige Leistung und wünscht „Bonne route“ oder „Bonne courage“.

In Dole versuchte ich mein Glück zuerst in einem Hotel, das ich von vorherigen Reisen kannte, doch es war voll. Die Dame an der Rezeption rief aber in einem anderen Hotel an, von dem sie wusste, dass das Fahrrad sicher stehen würde und dort war ein Zimmer frei. Dort quartierte ich mich ein und genoss nach der langen Etappe noch ein Abendessen in der schönen Altstadt.

Beaucaire – Montélimar

Nach einem Frühstück bei meinen Gastgebern rollte ich vom Hügel fast ohne treten bis an die Rhône hinunter. Die ersten 45km der Strecke legte ich auf Straßen zurück, die jedoch größtenteils ruhig waren, so dass das Fahren nicht allzu stressig war. Es gibt hier Teilstücke der Via Rhona Radroute, die nicht asphaltiert sind. Zwar sind die Oberflächen in der Regel recht gut, aber mit meinen 28mm Reifen fahre ich dann doch lieber Straße.

An Avignon fuhr ich nahezu ohne Kontakt mit der Stadt vorbei. Außer Avignon (wo es auch noch zu früh gewesen wäre) lagen aber nicht viele größere Orte am Weg. Ich versuchte – zu korrekten französischen Zeiten – mein Glück mit einem Abstecher nach Mondragon, doch außer einer Bar, in der ich zumindest etwas trinken konnte, war dort nichts. Vor allem kein Essen.

Die nächste Attraktion war das Kernkraftwerk Tricastin mit dem umliegenden Anlagen. Die hohen Kühltürme dampften nicht, ob nun wegen der Hitze oder wegen Drosselung, weil das Wasser der umliegenden Gewässer bereits wieder zu sehr erhitzt war, ließ sich nicht klären.

Pierrelatte, wo ich im letzten Jahr abgestiegen war, umfuhr ich diesmal – allerdings auf nicht oder schlecht asphaltierten Wegen, deren Zustand in den Karten nicht korrekt markiert war. Dafür kam ich am Modellflugplatz vorbei, wo gerade Modelle mit Turbinen geflogen wurden. Wenigstens gab es also etwas Show als Entschädigung.

Ich entschied mich, nach Montélimar abzubiegen. Der Ort ist hinreichend groß und nett und nach 120km waren die Energiereserven eines französischen Frühstücks auch aufgebraucht. In Montélimar gab es im kleinen Pavillon im Park gegenüber des Bahnhofs sogar um 20 vor 4 Pizza, so dass ich einen Snack hatte, während ich ein Hotel suchte.

Nach dem Checkin begab ich mich auf’s Zimmer, duschte und wusch meine durgeschwitzten Klamotten aus. Zuvor hatte ich die Klimaanlage eingeschaltet. Als ich aus dem Bad kam hörte ich verdächtige Geräusche – die Klimaanlage tropfte in Mengen, die den Fußboden des Zimmers fluteten und den darunter stehenden Mülleimer bereits zur Hälfte gefüllt hatten. So musste ich in ein anderes Zimmer umziehen.

Am Abend gönnte ich mir noch einen Spaziergang durch die Stadt und ein Abendessen, dann ging es ab ins Bett..

Cercy-la-Tour – Vichy

Draußen maunzte eine Katze, als ich aufwachte. Ich hatte gut geschlafen, aber mein Bauch war etwas flau. Trotzdem ging ich erst einmal zum Frühstück, es gab leckere Dinge, viele von den Gastgebern, einem Schweizerisch-Peruanischen Paar, selbstgemacht.

Auf dem Rad war ich erst gegen dreiviertel zehn. Mit einer kleinen Abfahrt ging es für die nächsten rund 15km noch auf dem flachen Radweg am Canal du Nevernais entlang, die Temperaturen lagen bei noch halbwegs angenehmen 27°C und ich musste mich bereits mit dem Buff vor übermäßiger Sonne schützen. Die Beine hatte ich gut eingecremt und dies schien auch zu helfen.

In Campvert erreichte ich den Abzweig meiner „a“-Route, ich hatte mich aber schon am Vortrag entschieden, die „b“-Route zu fahren. Mehr Höhenmeter, dafür 60 Kilometer kürzer bis zur Zusammenführung beider Optionen nahe des Mittelmeers. Zudem bot die Route die Möglichkeit, durch Vichy zu kommen. Zunnächst stand aber nach Decize, wo es über die Loire ging und ich den Eurovelo 6 kreuzte, Moulins auf dem Plan.

Kurz hinter Decize wich ich von meiner geplanten Route ab, denn diese war auf eine verkehrsärmere Strecke gelegt, was am Sonntag aber keine Rolle spielte, und beim Abbiegen merkte ich, dass dort anderer Asphalt mit deutlich erhöhtem Rollwiderstand („Bremsbelag“) verbaut war. Ansonsten ließ sich der Tag gut an, obwohl sich mein Bauch nicht ganz beruhigen wollte.

So war ich schon früh in Moulins und entschied wegen des dort stattfindenden Marktes, dem Trubel zu entfliehen und erst einmal weiterzufahren. Eine Entscheidung mit Risiko, aber ich hatte beim besten Willen keinen Hunger. Da es direkt an der Allier keinen Radweg gibt, fuhr ich parallel zur Nationalstraße auf kleinen Straßen, wo mir de facto kein Auto begegnete.

Quellen in Vichy

In Varennes-sur-Allier bog ich in den Ort ab, hatte auf die Pizza keinen Appetit und trotz anderer Info in Google Maps hatte keine der Boulangerien offen. Ich begnügte mich also mit Kaltgetränken und einem Griff in meine Vorräte, bevor es weiter ging. Bis kurz vor Saint-Germain-des-Fossés kürzte ich auf einer größeren Straße ab, dann ging es bald schon nach Vichy hinunter.

In Vichy suchte ich eine Brasserie in der Innenstadt, wo ich zumindest einen Mitleidsapfel bekam. Es hätte im Zentrum auch mehr gegeben, aber ich stellte fest, dass auf den kommenden 20-30 Kilometern, die ich in der Sonne noch gefahren wäre, entweder Orte mit Essen, aber ohne Unterkunft oder umgekehrt waren. So blieb ich nach nur 110 Kilometern in Vichy, suchte mit ein Hotel und machte nach einer Dusche einen Stadtrundgang mit Snack, bevor ich kurz nach 19 Uhr am Ufer des Flusses zu Abend aß.

Zwar war ich nicht so weit gekommen, wie ich wollte, aber der schöne Ort mit seinen berühmten Quellen und das tolle Restaurant am Fluss ließen die Zweifel schnell verfliegen und Urlaubsfeeling aufkommen.

Coulanges-sur-Yonne – Cercy-la-Tour

Nach einem doch eher französischen Frühstück und der Erkenntnis, dass für die Touristen sogar Müsli bereitgestellt wird, jedoch scheinbar wenig über die Anwendung bekannt ist (keine Schüsseln, keine kalte Milch), ging es direkt wieder auf den Radweg, sogar halbwegs zeitig, kurz nach zwei Niederländern, die im selben Hotel übernachtet hatten.

Dorf am Kanal

Es sollte nicht nur warm, sondern auch sehr sonnig werden. Ich hatte also vorgesorgt und alle eventuell freien Hautstellen mit Sonnencreme versorgt. Zusätzlich entschied ich, mit Buff über Mund und Nase und langen Hosen wegen des Sonnenbrandes an den Beinen zu fahren. Nicht die angenehmste Entscheidung bei der zu erwartenden Temperatur, aber vermutlich besser, als wenn die Sonne weiter auf den Sonnenbrand brennt – selbst mit 50er Sonnencreme.

Nach etwa 15km traf ich die beiden Niederländer wieder, sie machten an einem der schönen Rastplätze eine Kaffeepause (hatten einen Kocher dabei) und boten mir direkt welchen an. Ich blieb jedoch lieber bei kalter Schorle aus der Trinkblase, gesellte mich aber ein paar Minuten zu ihnen.

Die Fahrt am Kanal ist ruhig und schön, um die Jahreszeit trifft man ein paar Angler, ein paar Rennradler und selten auch mal andere Radtouristen – meistens ist man jedoch allein. Auf dem Wasser, aber fast nur an Schleusen oder Häfen, trifft man auch Hausboottouristen – auch diese im September eher wenig.

Marienstatue in Cercy-la-Tour

Unerwartet kam, wenn auch vor meiner gefühlten Mittagessenzeit schon um Viertel vor zwölf, die Gelegenheit auf ein Mittagessen in einem kleinen Restaurant an einem der Häfen. Ich nutzte das aus, denn ein Blick auf die Karte verriet, dass die Zahl sicherer Orte für gastronomische Versorgung auf den nächsten 60 Kilometern gegen null tendierte – vor allem aber innerhalb des Zeitfensters 12-13 Uhr.

So ging es gestärkt weiter. Wegen meiner warmen Bekleidung und der Hitze und mangelnden Kondition kam ich dennoch nicht so gut voran, wie es auf dem flachen Stück zu erwarten gewesen wäre. Zudem war der Asphalt auf dem Radweg seit Coulanges-sur-Yonne auch relativ rauh, so dass er zusätzlich bremste. Die hoch stehende Sonne und die Ausrichtung des Radweges führten dazu, dass ab dem Mittag auch nicht mehr allzu viele Abschnitte Schatten boten.

In Cercy-la-Tour setzte ich mich auf eine Bank. Den Plan bis Moulins zu fahren – noch etwa 45 Kilometer – hatte ich aufgegeben, ich musste aus der Sonne. Ich suchte eine Unterkunft in Decize, meinem Abzweig vom Canal du Nevernais – doch dort war die Situation mau. Also entschied ich stattdessen, eine hübsche Unterkunft direkt in Cercy-la-Tour zu nehmen. Da das Zimmer noch nicht bereit war, vertrieb ich mir die Wartezeit im geöffneten Café des örtlichen Campingplatzes.

Nachdem ich das wunderschöne Zimmer beziehen konnte, duschte ich und wusch meine Sachen aus. Dann ging es auf eine kurze Erkundungsrunde durch den Ort und zur örtlichen Pizzeria (die einzige Gastronomie außer dem Campingplatz).

Romilly-sur-Seine – Coulanges-sur-Yonne

Der Morgen zeigte sich grau und windig. Das Hotelfrühstück war OK, aber ich hatte ein unfittes Gefühl. Trotzdem ging es um kurz nach 9 Uhr los. Meistens über halbwegs ruhige Landstraßen, mal waren kurze Etappen auf befahrenen Straßen dazwischen. Dennoch blieb es erst einmal dabei: Steigung oder Gegenwind.

Quälend langsame – mit meiner Kondition stand es auch nicht zum Besten – 70 Kilometer brauchte ich, bis ich einen offenen Bäcker fand, wo ich mich mit Quiche Lorraine, Croque Jambon und einem Tiramisu aufpeppeln konnte. Immerhin wurde nach und nach das Wetter besser.

Gewundene kleine Straße

Ab Auxerre war der Wind weg (oder ich in der Abdeckung), es gab keine Steigungen mehr und ich fuhr auf dem wunderbaren Radweg entlang des Canal du Nivernais. Ab hier lief es, so dass ich nach Auxerre dann doch noch einiges an Kilometern abspulen konnte. Während ich den Sonnenschutz im Gesicht erneuert hatte, hatte ich den auf den Beinen zunächst vergessen, was zu einem veritablen Sonnenbrand führte.

Da es auch mittlerweile sehr warm war, die Sonne schien und ich ja auch ganz gut fuhr, ging mir 20 Kilometer vor dem gewählten Tagesziel Coulanges-sur-Yonne dann mein Flüssigkeitsvorrat aus. Zum Glück boten einige der Fahrradrastplätze am Weg Trinkwasser an. In Coulanges-sur-Yonne hatte ich dann ein Hotel. Im Ort gab es am Fluss ein sehr nettes Restaurant mit Gerichten aus regionalen Biohöfen und – ausnahmsweise auf Tour – auch einem tollen Glas Wein abends mit Blick auf den Sonnenuntergang und den Fluss.