Am 16. Juni lud HP Velotechnik, der Hersteller meiner Speedmachine, zum jährlichen Tag der Offenen Tür. Da ich die Tage zuvor in Hannover zu tun hatte gönnte ich mir auf dem Rückweg den kleinen Umweg – zumal ich dankenswerterweise in Bad Homburg bei Gaby (ihr kennt sie von der Tour zur SPEZI) Unterkunft fand.
Außer dem kleinen Testparcours auf dem Hof, den ich zwar nutzte, aber der naturgemäß eher für noch Unentschlossene interessant ist, gab es einen Einblick in die 25-jährige Geschichte der Firma und die Anfänge – von Paul Hollants im Rahmen einer Werksführung kurzweilig vorgetragen und gespickt mit Einblicken in die Arbeit von der Entwicklung über den Bau und die Serienfertigung bis zu Marketing und Verkauf.
Einen Vortrag über eine Liegeradreise durch Island gab es auch noch zu hören und natürlich die Möglichkeit, bei Speis und Trank mit Mitarbeitern oder Besuchern zu fachsimpeln, die ich auch gerne nutzte. Schließlich ist meine Speedmachine mittlerweile ziemlich genau zehn Jahre alt und neben der anhaltenden Wartung (und dem derzeitigen “Tuning”) hatte ich die Chance Fragen zur Haltbarkeit einiger Komponenten zu stellen.
Disclaimer: Ich bin einfach zufriedener Kunde und erhalte keine Zuwendungen/Sponsoring von HP Velotechnik
Das lange Wochenende um Himmelfahrt mit Brückentag lud auch wegen des zu erwartenden schönen Wetters zu einer netten Radtour ein. Vormittags brachen wir auf.
Der Feiertag erlaubte uns, sonst eher ungemütlich stark befahrene Straßen zu nutzen auf dem Weg in Richtung Spandau, wo wir dann in Haselhorst auf den Berlin-Kopenhagen-Radweg einbogen. Am Vatertag bzw. Herrentag war auf dieser Strecke am Wasser natürlich so einiges los, der Weg war ziemlich voll. Der Alkoholpegel hielt sich zu diesem Zeitpunkt erstaunlicherweise noch in Grenzen, so daß man zwar vorsichtig fahren musste, sich aber die Gefahr im Rahmen hielt.
In Hennigsdorf bogen wir vom bevölkerten Radweg ab und schlängelten uns durch den Ort in Richtung eines kleines Radweges hinüber zur Landstraße, auf der wir zunächst bis Kremmen fuhren.
Dort gibt es eine bewährte Möglichkeit der Versorgung an den Marktscheunen mit ihren diversen Gelegenheiten zum Essen und Rasten. Bei dem Wetter war es hier ziemlich voll – und wegen der vielen Motorräder auch gehörig laut. Dennoch genossen wir unseren Snack, bevor es weiter über’s Land und durch die Dörfer ging. Mit dem fast durchgängig gut nutzbaren Seitenradweg (wie üblich zumindest außerhalb der Dörfer) war die Fahrt aber auch hier angenehm.
Bei Beetz bogen wir dann ab, auf dem Landwirtschaftsweg (Plattenweg, aber relativ zivil) ging es erst über Felder, dann durch kurze Waldstücke. Wir legten eine kleine Pause ein an der eingleisigen Bahnstrecke, die von Neuruppin kommt. Da sich der Zugverkehr naturgemäß in Grenzen hält, konnten wir hier draußen im Nirgendwo wunderbar der Stille lauschen, die nur von ein paar Vögeln “gestört” wurde.
Der restliche Weg geht bis kurz vor Neuruppin über sehr ruhige Straßen – lediglich die Ortsdurchfahrt Radensleben auf dem unsäglichen Kopfsteinpflaster bzw. den auch nicht viel besseren Fußwegen ist etwas anstrengend.
Erstmals fuhr ich hinter Radensleben von der L167 ab und via Nietwerder nach Neuruppin – eine absolute Empfehlung. Die Straße ist sehr gut, aber quasi kaum befahren. Lediglich der Verkehr über die Brücke nach Neuruppin hinein ist und bleibt ein Ärgernis, aber das ist ja nur ein kurzes Stück.
In Neuruppin hatte ich eine Übernachtung im relativ neuen Fiddler’s Inn gebucht. Definitiv empfehlenswert! Die Unterkunft ist mit viel Liebe zum Detail eingerichtet, der Empfang war nett und die Zimmer sind modern, aber stilvoll im schottischen Ambiente gehalten.
Neuruppin selbst hat nicht das ausgiebigste Nachtleben zu bieten, ein paar nette Restaurants (mit leckeren Fischgerichten) und das erwähnenswerte Weinlokal am Neuen Markt waren aber dabei, um den Tag angenehm ausklingen zu lassen.
Das heutige Frühstück war zwar reichhaltig, aber eher süß ausgelegt. Wir genossen es trotzdem, bevor wir in aller Ruhe packten und zur letzten kleinen Etappe dieser Tour aufbrachen.
Nach dem Check-out ging es zunächst auf den bekannten Radweg Richtung Loreno, von wo wir nach kurzer Fotopause die Uferstraße in Richtung Luino nahmen. Diese war mäßig befahren, aber die Enge forderte die italienischen Möchtegern-Rallye-Piloten natürlich wieder hinreichend heraus, an den unmöglichsten Stellen sehr eng zu überholen.
Schön war die Strasse dennoch, wir genossen den Blick über den Lago Maggiore bei wolkenlosem Himmel. Im ein oder anderen Ort wählten wir die kleinen Strassen für einen kurzen Moment der Ruhe. Auch wenn das die ein oder andere Rampe bedeutete.
In Luino suchten wir uns ein Café am Ufer, wo wir nochmal zu italienischen Preisen essen und trinken konnten und derweil den Blick über den See genießen. Nach zwei ruhigen Stunden machten wir uns dann auf in Richtung Schweiz. Dort waren die Autofahrer deutlich angenehmer beim Überholen, die Preise in Restaurants oder Cafés allerdings jenseits unseres Budgets.
Da vor dem Bahnhof Baustelle war fuhren wir noch in ein wenig ruhigere Gefilde. Wegen der großen Steigungen allerdings nur den halben weg zum Luganer See, mit guten Überblick dafür.
Rechtzeitig waren wir am Bahnhof, unser Zug kam – wir von der Schweizer Bahn erwartet – pünktlich und die Fahrt nach Basel lief weitgehend ohne Probleme durch aufregende Landschaften.
In Basel fuhr unser Nachtzug nach Berlin nahezu pünktlich, vor allem aber am selben Gleis ab, der Umstieg lief perfekt.
Nach dem sichern der Räder und dem Beziehen unseres Anteils duschten wir, dann machten wir uns über den mitgebrachten Rotwein, dass Brot und die italienische Salami her. Das sanfte Schaukeln des Schlafwagens begleitete uns in die Nacht.
Am Sonntag morgen machte sich Micha mit der Bahn aus Berlin auf in Richtung Havelberg, genauer gesagt ersteinmal nach Glöwen und dann mit dem Rad zum Wassersportzentrum. Auch er frühstückte an Bord der Andante, dann gab es noch eine kleine Fotosession und schließlich machten wir uns auf den Weg zum Elberadweg.
Ich hatte eine grobe Planung gemacht, wir behielten uns aber vor, an der ein oder anderen Stelle dynamisch zu entscheiden, wo wir eigentlich lang wollten. Bei Havelberg sind die Optionen in Richtung Süden aber zunächst nicht sonderlich vielfältig, es geht neben der B107 auf einen relativ gut fahrbaren Radweg bis Wulkau. Sobald man von der Bundesstrasse allerdings abbiegt, ist es aus mit guten Wegen. Vielerorst sind bestenfalls Plattenwege zu erwarten, manchesmal aber auch nur verfestigte Kiespisten.
Es gibt dann ein paar frisch asphaltierte Abschnitte – da diese noch nicht offiziell freigegeben und ausgschildert waren, war uns klar, daß wir irgendwo dann auf richtig schlechten Wegen versacken würden. Aber es war uns egal. Wir hatten kein großes Kilometerziel vor Augen, die Hitze brannt und die experimentelle Routenführung ersparte uns auch größere Gruppen von Radtouristen.
Letztlich kamen wir überall durch und sahen sogar mal die Elbe, auch wenn wir ihr selten nahe kamen – und wenn dann nur immer an den Außenseiten der Flußkurven, so daß an ein kühlendes Bad nicht zu denken war. Die schönen Strände mit ruhigem Wasser zwischen Buhnen waren immer auf der anderen Seite. Und 34°C luden dann doch nicht zu großen Umwegen ins Ungewisse ein.
Als wir zwischendurch mal wieder zur Straße kamen, nutzten wir die Gelegenheit und aßen einen Salat und tranken reichlich, ließen uns auch unsere Getränkevorräte auffüllen. Dann ging es wieder zurück auf den Deich oder die Holperpisten dahinter. Auf einem besonders schmalen Abschnitt des offiziellen Weges mussten wir dann doch noch einige Kilometer hinter einer langsamen Gruppe herschleichen, aber da es wenigstens ein weitgehend schattiger Abschnitt war, war das nicht schlimm.
Beim nächsten Halt gab es dann auch Mittagessen. Der Himmel zog sich runhderum zu und das Regenradar zeigte kaum vorhersehbare Gewitterzellen, die teils extrem nah an uns vorbeizogen – aber immer nur vorbei. Ein paar Windböen sahen wir beim Essen vor dem Fenster, aber abgekriegt haben wir nichts.
Bei Hohenwarthe schauten wir uns das beeindruckendde Wasserstraßenkreuz an. In einer Scheluse mit gewaltigem Hub wird der Schiffsverkehr aus Elbe-Havel-Kanal in den Mittellandkanal gehoben, der dann auf einer Brücke über die Elbe führt. Auf dem Seitenstreifen dieser Brücke zog ich ein paar eingefahrene spitze Steine aus dem Mantel meines (ohnehin ziemlich runtergefahrenen) Vorderrades – und handelte mir prompt einen Platten ein. Es stellte sich dann aber heraus, daß dieser nichts direkt mit den entfernten Steinchen zu tun hatte, sondern daß ich beim letzten Schlauchwechsel unsauber gearbeitet hatte und der Schlauch geknickt im Reifen gelegen hatte.
Danke meiner Pumpe mit CO2-Kartuschen war das Pumpen nach dem Schlauchwechsel nicht so anstrengend, nachdem ich die Funktionsweisen (ich hatte vorher immer nur manuell gepumpt) denn auch verstanden hatte. Und das, obwohl ich das Ventil beim Abdrehen der Pumpe zunächst mit rausdrehte (ich, der ich immer allem predige: zieht bei Schwalbe-Schläuchen das Ventil fest, bevor ihr sie benutzt!). Grundsätzlich erhält die Kartuschen-Pumpe aber ein absolutes Thumbs Up! von mir, denn ich weiss, wie anstrengend die Pumperei schon bei Temperaturen weit unter 30°C ist!
Nach dem Unterqueren des Mittellandkanals, noch immer auf der Ostseite, ging es in Richtung Magdeburg. Bei Herrenkrug querten wir die Elbe auf einer Fahrrad- und Fußgängerbrücke und fuhren dann durch lauter feiernde junge Menschen hindurch nach Magdeburg hinein, wo wir eine weitere Eispause einlegten. Es war Abend und die Sonne ging unter. Wir tauschten Sonnencreme gegen Mückenschutz, bevor es weiter ging.
Der Plan war: Kurz hinter Magdeburg ein Plätzchen im Freien suchen, am besten eine der kleinen Pausenhütten, notfalls aber auch einfach mit dem Tarp in der Landschaft. Es sei verraten: dieser Plan ging an dieser Stelle nicht so einfach auf. Bis wir die Elbe bei Schönebeck kreuzten, zogen sich Siedlungen, Industriegebiete und ähnlich für das Wildcampen ungeeignete Gebiete für lange Zeit hin. Auch danach geht es dann sehr lang wahlweise in der Nähe befahrener Straßen oder auf einem Deich, an dessen Fuß keine brauchbaren Plätze zu erkennen waren. Es war mittlerweile dunkel, wir nutzen unser Fernlicht desöfteren.
Erst hinter Dornburg fanden wir die netten spitzgiebligen Rasthüttchen an einem Weg fernab der Straßen und nutzten die Gelegenheit. Leider sind die seitlichen Bänke (mittlerweile?) so schmal, daß das Schlafen in diesen Hütten auf den Bänken nur bedingt gemütlich ist – und der Boden läd aus anderen Gründen kaum dazu ein. Dennoch kriegten wir neben dem Konzert der Tiere und bis zur Morgendämmerung zumindest etwas Ruhe.
Schon länger lag bei mir eine Streckenplanung für eine kleine Besichtigungstour zur Flughafenbaustelle Berlin-Brandenburg auf Lager. Bei bestem Fahrradwetter mit knapp 20°C und Sonnenschein machte ich mich also nach der Arbeit auf den Weg.
Durch die Stadt ging es über ruhige Straßen, das Tempelhofer Feld und die Ostkrone zunächst raus nach Schönefeld. Über den Parkplatz des alten Flughafens fädelte ich mich dann auf eine Zufahrtsstraße zum BER ein – die offzielle Zuführung für Radfahrer ist allerdings weit weniger klar führt irgendwo über die Dörfer.
Die von mir genutzte Zufahrtsstraße ist eigentlich für Radfahrer gesperrt. Da sie aber aufgrund eines geschlossenen Flughafens, auf dem derzeit auch kaum Bauarbeiten stattfinden und abends schon gar nicht, und ohnehin auf 60km/h begrenzt komplett verwaist ist, schätzte ich die Gefahr als äußerst gering ein – und so war es auch: nicht ein einziges Auto.
Schießlich ging es dann an leeren Parkplätzen vorbei in Richtung Terminalgebäude. Ein paar vereinzelte Wachmänner sorgen dafür, daß man manche Wege (wohl im wesentlichen Baustellenzufahrten, aber auch die Rampe zum Hauptterminal) nicht entlang kommt, der größte Teil des Geländes ist aber frei zugänglich.
Verlassen wirkt alles, gespenstisch und leer. Gerettet wird die Szenerie vom pastellfarbenen Abendlicht. Nur hie und da ein paar Leute, sogar ein Bus hält an einer behelfsmäßigen Haltestelle. Ansonsten: Einsamkeit. Vögel zwitschern. Und da niemand gerne von Schönefeld fliegt stört auch nur ganz selten mal das Geräusch eines in der Ferne startenden oder landenden Flugzeugs.
Durch große Glasfronten kann man Blicke riskieren in Abfertigungsbereiche, bei denen man sich nicht im mindesten vorstellen kann, wie irgendwem erst wenige Tage vor der Eröffnung aufgefallen sein kann, daß das nicht klappen wird. Insgesamt wirkt die Umgebung eher wie ein dem Verfall preisgegebenes, ausgeschlachtetes Gebäude als irgendwas, was in absehbarer Zeit mal ein lebendiger Hauptstadtflughafen werden könnte.
Die leeren Parkhäuser bieten dann eine diese Gelegenheiten, die man selten hat und die man immer schon mal haben wollte: So eine enge Parkhauswendel über viele Stockwerke mit dem Fahrrad hoch- und wieder runterfahren. Gefahrlos, Autos kommen hier nicht rein. Aufpassen muss man nur mit gelegentlich auftretenden Baustellen. Schließlich wird an dem gerade neu errichteten, nie genutzten Parkhaus an allen Ecken und Ende saniert.
Den Rückweg trete ich über kleine Feldwege entlang des Airportzauns an. In meinem Track hatte ich ursprünglich Straßen, aber da es trocken war und die Wege halbwegs fahr sind, nehme ich die Abkürzung. und habe so noch ein paar Blick von außen auf das tote Monstrum. Wer sich das einmal angeschaut hat, der kann nicht ernsthaft annehmen, daß es mit den im Raum stehenden 5,4 Milliarden Euro getan sei. Da kommt mehr. Und noch mehr. Und wenn der Flughafen aus Versehen in absehbarer Zeit eröffnet, dann bestenfalls mit einem Alibibetrieb, während gleichzeitig noch an allen Ecken und Ende gearbeitet wird.
Zurück komme ich über Mahlow, den Mauerweg und schließlich entlang des Teltowkanals. Zeit, im Licht der untergehenden Sonne über das Gesehene zu sinnieren.