Dax – Hendaye

Der Vorteil einer großen Hotelkette ist, dass es meist ein recht ergiebiges Frühstücksbuffet gibt – selbst in Frankreich. Zeit lassen konnte ich mir auch, denn für heute stand eine relativ kurze und vom Profil harmlose Etappe auf dem Programm.

L'Adour und im Hintergrund die Pyrenäen
L’Adour und im Hintergrund die Pyrenäen

Von Dax fahre ich auf teilweise belebten Landstrassen südwestlich, bis ich bei Port der Lanne auf die Adour treffe. Schon 10km hinter Dax habe ich von einigen Hügeln aus die Ausläufer der Pyrenäen vor Augen, die sich südlich von mir am Horizont ausbreiten.

Dem Fluss folge ich auf teils sehr ruhigen Wegen, je näher ich Bayonne komme, desto stärker wird auch der Verkehr und umso größer die Straßen. Allerdings beginnt auch bald ein Radweg, so dass die Einfahrt nach Bayonne stressfrei verläuft.

In Bayonne selbst fotografiere ich nur den Bahnhof, ein Besuch beim Radladen, um einen Ersatzschlauch für den kaputten zu besorgen fällt wegen allgemeiner Mittagspause allerdings aus. Dafür treffe ich zwei amerikanische Radtouristen, die auch auf dem Weg in Richtung Lissabon sind, sie wollen allerdings dem Jacobsweg folgen und dann an der portugiesischen Küste entlang. Sie fragen mich, wie ich fahre. Ich sage ihnen: quer durch. Mit Bergen. Ich nehme nicht die flat Route – ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, ob sie sich im Klaren sind, dass es da keine flache Route gibt.

Biarritz an der Rocher de la Vierge
Biarritz an der Rocher de la Vierge

Mich zieht es weiter nach Biarritz. Hier erreiche ich den Atlantik, hier stehe ich am gleichen Punkt wie vor vier Jahren. Ein Glücksgefühl überkommt mich. Ich esse gemütlich zu Mittag, dann geht es mit dem obligatorischen Foto an der Rocher de la Vierge weiter.

An der hügeligen Küste fahre ich noch bis Hendaye, der französischen Grenzstadt. Dahinter kommen die Berge, vor allem aber möchte ich den kurzen Tag mit einem Bad im Atlantik krönen. So beziehe ich schnell das Hotel und laufe ohne Wertsachen zum Strand. Das Wasser ist kühl, aber sobald man drin ist, fühlt es sich gut an. Die Wellen sind schön, gross genug, um sich von ihnen zurück zum Strand spülen zu lassen.

Sonnenuntergang in Hendaye
Sonnenuntergang in Hendaye

Nach den üblichen Beschäftigungen im Hotel – Wäsche waschen, Trinkgefäße säubern, duschen – mache ich noch einen Rundgang und schaue mir dann beim Abendessen den Sonnenuntergang über den Bergen an, das Meer färbt sich wunderschön.

Ich bin an einem Entscheidungspunkt angelangt. Also rechne ich die nächsten Kilometer zusammen, die verbleibende Zeit und schaue, wo ich stehe. Es geht weiter. Auch wenn jetzt vermutlich der härteste Teil der Tour vor mir liegt.

Agen – Dax

Meine Unterkunft bot kein Frühstück, daher machte ich mich nach dem Aufwachen fertig und sattelte das Rad, um in die Nähe Innenstadt von Agen zu fahren. Am vorigem Abend hatte ich nur noch einen Asia Imbiss aufgetrieben, das war definitiv zu wenig. Ich fand einen Bäcker, der mir nicht nur süße Croissants verkaufte, sondern auch ein Sandwich mit Schinken.

Am Kanal der zwei Meere
Am Kanal der zwei Meere

Im Anschluss suchte ich mir den kürzesten Weg zum Kanal und bog auf den dortigen Kanalradweg ein. Das Gelände war flach, der Bodenbelag halbwegs brauchbar, dennoch hatte ich das Gefühl, nur schwer voran zu kommen. Bis Feugarolles folgte ich dem Kanal, dann ging es zunächst auf eine durchaus befahrene Strasse, die erst hinter dem Ort wieder ruhiger wurde.

Die Landschaft würde auch wieder hügeliger, der Morgen war kühl. Bei Kilometer 50 wollte ich zum Essen einkehren, doch in Sos fand ich kein offenes Restaurant, der Montag fühlt sich hier teils geschlossener an als der Sonntag. Hinter Sos modifizierte ich spontan meine Route und blieb auf der Straße, die ruhiger als erwartet war. Bei Gabbaret vereinigte sich der Weg wieder mit dem geplanten Track und dort, am Ortsausgang fand sich auch ein gutes Restaurant.

Plötzlich Kühe auf der Fahrbahn
Plötzlich Kühe auf der Fahrbahn

Ich liess mir beim Menu du Jour Zeit, vier Gänge gab es. Das war gut, denn nach Essen und Pause ging es doch viel besser weiter. Bis Mont-de-Marsan fuhr ich auf sehr ruhigen Straßen, ab Mont-de-Marsan führte der Weg größtenteils neben der (Semi-)Autobahn entlang. Zum Glück gab es eine gute Ausschilderung, denn der geplante Track und die offenbar mittlerweile geänderte Realität passten nicht immer perfekt zueinander.

Wenige Kilometer vor Dax stoppte ich kurz, um eine Unterkunft zu buchen. Nach knapp 180km und 1500hm kam ich für französische Verhältnisse spät im Hotel an. Rechtzeitig genug aber für ein Essen und einen anschließenden Spaziergang.

Figeac – Agen

Beim Frühstück sitzen außer mir nur Jacobsweg-Wanderer. Es entspinnt sich dennoch ein nettes Gespräch um Kirchen am Weg bis hin zu europäischer Politik. Doch irgendwann muss ich mal los.

Kurze Begleitung
Kurze Begleitung

Kurz hinter Figeac überlege ich, ob ich spontan in Richtung Faycelles und damit ins Vallée de Lot abbiege, entscheide mich dann aber doch für meine originale Routenplanung. Die Strasse ist ruhig und wartet zunächst mit leichten Steigungen auf, nichts Großes oder Andauerndes aber. Die ca. 20km bis Cajarc gehen schnell vorbei.

Anschließend wird es eine Weile noch hügelig, die Steigungen sind aber selten mehr als drei bis fünf Prozent und ich bin ja mittlerweile gut im Training. Wenige Radfahrer sind unterwegs, vereinzelt Rennradler. Einer folgt mir, allerdings nach jedem Gefälle mir wachsendem Abstand, für mehr als 15 Kilometer.

Nach einer sanften Abfahrt wird ist es dann bald nur noch leicht hügelig und ich komme gut voran. Zwischendurch gibt es Mittagessen und – trotz Sonntag und mitten auf dem Dorf – einen offenen Supermarkt.

Radweg am Garonne-Seitenkanal
Radweg am Garonne-Seitenkanal

Später scheinen meine Beine müde zu werden, doch nachdem das Rad merkwürdig schwammig fährt, Stelle ich fest, dass ich am Hinterrad wenig Luft habe. Ich finde keine äußere Beschädigung, pumpe mit der Handpumpe nach und fahre weiter. Nachdem ich erst von meiner Route abweichen muss, weil die Strasse über Privatgrund geht und dann einen noch größeren Umweg fahre, weil die Alternative Strasse wegen Bauarbeiten gesperrt ist, merke ich, wie langsam wieder zu wenig Luft im Reifen ist. Ich wechsle also den Schlauch und Stelle bei der Gelegenheit fest, dass sich ein Dorn nach innen durchgearbeitet hat. Ich kann diesen entfernen. Dank CO2 Pumpe geht das aufpumpen dann auch angenehm schnell.

Mittlerweile brennt mir die Sonne ins Gesicht und ich mache in Massiac eine kurze Pause. Für den Abend buche ich eine Unterkunft in Agen, ca. 45 bis 50 Kilometer weiter, allerdings am flachen Kanalradweg des Canal Lateral de Garonne.

Agen am Abend
Agen am Abend

Einige Male verlasse ich den Radweg für ein Bahnhofsfoto, aber da es spät wird, will ich irgendwann auch einfach nur noch ankommen.


Allanche – Figeac

Frühstück gibt es in französischen Unterkünften in der Regel erst ab halb neun, nur auf speziellen Wunsch früher. Heute war mir das allerdings durchaus recht, denn es war draussen noch ziemlich kalt.

Dienne
Dienne

Als ich gegen um halb zehn los fuhr, zeigte das Thermometer gerade einmal 9°C und im ersten leichten Anstieg sogar noch weniger an. Hochnebel hing zwischen den Anhöhen und ein paar Wolken vor der Sonne. Doch in der Steigung wird einem auch so warm. Die kurzen Abfahrten kühlten dann aber schnell herunter.

Schon bald sah ich mein erstes Ziel für heute, den Puy Mary (Marienvulkankegel) bzw. für mich natürlich der zugehörige Pass Col du Pas de Peyrol. Durch ein langes Tal ging die Strasse in relativ sanftem Anstieg langsam bis zum Col de Serre hoch, dahinter dann steiler für die letzten 200 Höhenmeter, auf den letzten 1,8km mit einer durchschnittlichen Steigung von fast 10%.

Col du Pas de Peyrol
Col du Pas de Peyrol

Oben angekommen genoss ich den Ausblick, dann setzte ich mich bei blauem Himmel und Sonnenschein an einen Tisch des Restaurants und aß und trank, bevor es in die Abfahrt ging. In dieser stoppte ich schon nach wenigen hundert Metern, um einen großen Raubvogel zu beobachten, der in der Thermik seine Kreise zog. Dann begann ich die Abfahrt nach Aurillac.

Durch die vielen Kurven und die nicht einsehbare Strecke war die Abfahrt anspruchsvoll und ein guter Test für die Bremsen, die das aber wieder völlig problemlos mitmachten. Unten ging es dann, oft mit kleinem Gefälle, bis Aurillac weiter.

In Aurillac suchte ich einen Fahrradladen auf: ich wollte den Schaltzug aus der gestrigen Aktion gegen einen besseren (respektive wirklich passenden) tauschen und mir doch noch Ersatz besorgen. Das klappte problemlos, sogar die verlorene Kabelendkappe könnte ich ersetzen.

Kirche in Figeac
Kirche in Figeac

Von Aurillac ging es sanft bergan, bevor ich im Tal der Rance eine längszogen, sanfte Abfahrt bis nach Maurs hatte. Das war sehr entspannend und endlich purzelten auch mal wieder die Kilometer. In Maurs machte ich in einer Bar eine Orientierungspause. Mein Rad erregte Aufsehen und ich hatte bald Gesellschaft. Würde ich alle guten Tipps für die Strecke befolgen, dann hätte ich nach den nächsten 1500km die schönsten Täler Frankreichs gesehen, wäre meinem Ziel ab kaum näher gekommen. Ein oder zwei Tipps nehme ich aber dankend an und versuche spontan etwas umzuplanen.

Ich entschied mich für eine Übernachtung in Figeac, nur 22 flache Kilometer hinter Maurs und kam gut vorwärts. Ich ergatterte eine Übernachtung in einem netten Hotel und konnte zu Fuss die schöne Altstadt erkunden.

Noirétable – Allanche

Der Himmel am Morgen zeigte von Westen her schon die ersten Wolken, war aber noch zum größten Teil blau. Für mich ging es direkt vom Hotel in den Anstieg – ohne Warmfahren.

Halb blau, halb grau am Morgen
Halb blau, halb grau am Morgen

Nach rund 5km war der erste Pass geschafft. Meine Route allerdings führte mich auf kleinen und ruhigen Straßen etwas südlich und somit nicht direkt ins Tal. Das heißt aber auch, daß ich nur kurze Abfahrten und immer wieder Anstiege zu bewältigen hatte. Gleichzeitig zog sich der Himmel immer weiter zu, manchmal gab es ein paar Tropfen, wenn auch nichts Schlimmes.

Anstiege fressen Zeit und bringen wenige Kilometer. Das führt im Umkehrschluss dazu, dass man zur Mittagszeit nicht in der gleichen Frequenz durch Orte kommt, wie bei Fahrten im Flachen. Zudem sind oben am Berg auch meist eher kleinere Orte ohne entsprechende Infrastruktur zu finden. Dementsprechend war ich froh, zumindest einen kleinen Supermarkt zu finden. Schokolade und Saft als Nachschub für Pausen.

Als ich endlich weiter unten ins Tal kam, war es schon halb zwei. Das erste Restaurant, das ich fand, war zwar noch offen, aber die Küche war bereits zu. Man verwies mich an den nächsten grossen Supermarkt, der glücklicherweise direkt an meinem Weg lag. Dort fand ich ein Restaurant, wo ich auch um kurz vor zwei noch ein Menu du Jour bekam. Die Rettung!

Kaputter Schaltzug
Kaputter Schaltzug

Anschließend ging es in die nächsten Steigungen. Ich bemerkte, wie die Schaltung hakelig wurde und schaute bei einer Pause genauer nach: gerade noch rechtzeitig. Der Schaltzug hatte nur noch zwei intakte Drähte. Zum Glück lag vor mir kein starker Anstieg mehr, ich änderte meine Route ins Tal in den nächsten größeren Ort, Massiac. Ich vermied es, hinten zu schalten und hatte nur noch drei Gänge zur Verfügung.

Am Ortseingang von Massiac sah ich ein Hotel, ich hielt dort um zu fragen, wo der örtliche Fahrradladen sei. Die Antwort war unbefriedigend: gibt keinen in Massiac – und alle anderen kilometerweit entfernt und ab der Route, vor allem aber nur über teils gehörige Anstiege zu erreichen. Ich erklärte dem Hotelier das Problem und er gab mir kurzerhand einen passenden Schaltzug aus seiner Garage, den ich einbaute. Glück gehabt! Ich muss zwar nochmal Ran und justieren, aber so traute ich mich weiter zu fahren, auch angesichts der zu erwartenden Steigung.

Landschaft und Wetter
Landschaft und Wetter

Bald außerhalb von Massiac allerdings hing ich nicht nur in einer langen Steigung bis auf über 1200m Höhe fest (von ca. 500m und mit ein paar kurzen Abfahrten), sondern es begann zu regnen. Mit zunehmender Höhe wurde es auch empfindlich kalt. Die Temperatur sank auf 9°C und es kam ewig kein Dorf, bestenfalls Ansammlungen einiger Häuser. Allanche kam nur schleichend näher und der Regen wurde stärker.

Die letzten fünf Kilometer waren eine schnelle Abfahrt. Kurvig, auf regennasser Fahrbahn. Mit Brille ist nichts zu sehen, ohne Brille pieksen ab 50km/h die Regentropfen in den Augen so, dass man sie schließen möchte.

Angekommen in Allanche war ich heilfroh, ein Hotel mit freiem Zimmer zu finden, welches auch noch ein Abendessen anbot.