Bellheim – Vogtsburg am Kaiserstuhl

Beim Frühstück langte ich zu. Ich ging davon aus, das letzte deutsche Frühstücksbuffet auf dieser Tour zu sehen und außerdem stand mir durchaus ein langer Ritt bevor.

Leere Straße, kleines Dorf
Leere Straße, kleines Dorf

Der Plan sah vor, von Bellheim am Sonntag Morgen auf der wenig befahrenen Landstraße in Richtung Süden bis Neuburg am Rhein zu fahren und dort wieder auf den Track zu stoßen. Die Straße war auch nicht befahren, denn gleich hinter dem Ortsausgang von Bellheim war eine Baustelle. Doch zum Glück war eine Umleitung für Radfahrer ausgeschildert, die ich auch erfolgreich nutzen konnte – und so leitete mich mein Navi auf einem guten Weg bis zum Rhein südlich von Wörth am Rhein.

Dort begann für mich dann auch wieder bekanntes Terrain – die Strecke war ich ja mehr als einmal gefahren. Zuletzt im Frühjahr, wenn auch erst eine Fähre weiter südlich. Das Gelände ist flach, es geht am Fluss entlang. Die Wege sind autofrei oder zumindest autoarm. Über mir eine strahlend blauer Himmel. Perfektes Tourenwetter, nicht zu warm, nicht zu kalt.

Der Rhein-Radweg in Frankreich
Der Rhein-Radweg in Frankreich

Die zweite Überraschung erwartete mich an der Schleuse Gambsheim. Ich rollte vom Deich hinunter … und stand vor einem Tor. Dort, wo ich sonst entlang fahre, ist jetzt Route barré. Irgendwas, was ich mit meinem mageren französisch entziffern kann, empfiehlt mir am Rheinufer zu fahren. Das Rheinufer ist oben auf dem Deich. Ich ignoriere tapfer das Verbotsschild für Radfahrer und befinde mich auf einem mäßig gut fahrbaren Schotterweg.

Weiter unten kann ich Schilder erkennen, die auf eine Teststrecke für Fahrzeuge und Gefahr hinweisen, doch irgendwo steht auch Montag bis Freitag. Also nehme ich die nächste Abfahrt und nutze die asphaltierte Strasse. Bis zur anderen Seite der Sperrung. Ich muss auf einem engen, steilen Sandweg ein Fliessgewässer überqueren, auf Schotter auf den Deich zurück und komme dann auf der anderen Seite des Zaunes an. Weiter geht es.

Radweg am Rhein-Rhone-Kanal
Radweg am Rhein-Rhone-Kanal

Bis Strasbourg läuft alles wieder wie gewohnt. In Strasbourg entscheide ich mich für den Weg durch die Innenstadt, will eigentlich in ein Café, aber es ist mir zu voll und ich fahre zum Rhein-Rhone-Kanal. Getränke habe ich noch und Schokolade und Riegel auch. Also mache ich Pause an einer Picknickwiese.

Gegen 18 Uhr und nach 155km stelle ich fest, dass in Marckolsheim (fast) kein Zimmer zu bekommen ist und reserviere auf der deutschen Rheinseite etwas. 20€ billiger, dafür mit Spa. Wer lässt sich das entgehen.

Vielleicht derjenige, der weiss, dass die deutsche Seite am Kaiserstuhl alles andere als flach ist.

Egal, nach 170km kam ich an. Ich bekam Schnitzel und hatte noch Zeit für Pool und Sauna.

Vogtsburg am Kaiserstuhl – Montbéliard

Aufgrund der gestrigen Hotelwahl kam ich heute nochmals in den Genuss eines ausgiebigen Frühstücksbuffets, was ich auch ausnutzte. Anschließend ging es dann auch schon bald los.

Rhein-Rhone-Kanal und im Hintergrund der Schwarzwald
Rhein-Rhone-Kanal und im Hintergrund der Schwarzwald

Ein Hotel auf der Anhöhe lässt einen abends gerne fluchen, am Morgen bietet es aber den unbestreitbaren Vorteil, dass man gemütlich losrollen kann. Und so ging es dann auch relativ schnell nach Breisach hinab und dort über den Rhein, vorbei am Hotel der Frühjahrstour auf der Rheininsel.

So folgte ich auch dem bekannten Weg, einer alten Bahntrasse, bis ich wieder auf meinem geplanten Track landete. Dieser wich dann allerdings schon bald vom Track der SPEZI Tour ab und führte parallel etwas westlicher durch den Wald in Richtung Mulhouse. Kurz vor Mulhouse traf ich Antoine aus Strasbourg, mit dem ich mich dann etwas unterhielt, bis er an seinem Ziel für heute ankam.

Selfie mit Antoine
Selfie mit Antoine

Ich folgte weiter dem Rhein-Rhone-Kanal auf dem Eurovelo 6 – definitiv eine der angenehmsten Strecken, die ich immer wieder gerne nutze. Eine Zeit geht es sanft bergauf, allerdings immer nur alle paar hundert Meter an den Schleusen des Kanals ein kleines Stück. Danach folgt ein ebenso leichtes Gefälle. Immer wieder bieten Bäume am Wegesrand Schatten, durchaus angenehm bei strahlend blauem Himmel und 27°C.

In Dannemarie fand ich eine Gelegenheit zu essen, etwas, was ich mir hier keinesfalls entgehen lasse. Ich legte mir als Tagesziel Montbéliard zurecht, buchte aber noch kein Hotel. Damit hielt ich diese Etappe etwas kürzer, obwohl ich gut voran kam. Zugegebenermaßen trat ich auf den letzten Kilometern auch etwas mehr in die Pedale.

Schleusen am Kanal
Schleusen am Kanal

In Montbéliard fand ich zunächst kein passendes Hotel in der Innenstadt und entschied mich für ein Ibis im Gewerbegebiet. Auf dem Hügel, bewährtes Verfahren. Preiswert und das Rad im Zimmer ist kein Problem. Der Vorteil im Gewerbegebiet: es gibt auch gleich einen großen Supermarkt. Dort deckte ich mich mit den (kleinen) Vorräten an Saft und Pausensnacks für den kommenden Tag ein.

Ich erledigte noch die wichtigen Aufgaben für kurze Tage: kleine Radwartung, Wäsche waschen. Abends ging es zu Fuß in die Innenstadt, wo ich noch etwas zu essen auftrieb.

Montbéliard – Dole

Nach einem kleinen Frühstück im Hotel holte ich das fertig gepackte Rad aus dem Zimmer und startete das erste mal auf dieser Tour kurzärmlig und mit kurzer Hose in den Tag, auch wenn es um halb neun noch relativ kühl war. Aber die Temperatur stieg rasch.

EV6, blauer Himmel, glattes Wasser
EV6, blauer Himmel, glattes Wasser

Vom Hotel ging es abwärts zum Eurovelo 6 und dann wie gewohnt am Kanal entlang. Die Hauptrichtung war ein leichtes Gefälle, auch wenn es immer wieder mal abseits vom Wasser ein kurze Steigung über den ein oder anderen Hügel zu überwinden galt. Auf dem Weg waren heute einige Reiseradler unterwegs, vor allem aber Rennradler. Vornehmend ältere Damen und Herren, an einem Dienstag tagsüber nicht verwunderlich.

Von Montbéliard führt der Weg zunächst nach Baume les Dames, etwa auf halbem Weg nach Besançon. Ein Café verpasse ich und so mache ich eine Pause aus meinen Vorräten: Kekse und Traubenschorle. Kurz bevor ich aufbreche kommt ein Rennradler vorbei. Älter, aber recht sportlich. Zu meiner Verwunderung hole ich ihn aber nach ca. 10min ein, er kämpft sich mit 28km/h gegen den Wind und hängt sich an mich, als ich ihn überhole. Nun kann ich nicht anders, als ihn fair etwas zu ziehen. Nach 15-20 Minuten mit 32 km/h lässt er mich aber ziehen. Ich bin etwas erleichtert und kann auch etwas Geschwindigkeit rausnehmen. Im nächsten Ort rausche ich in eine Baustelle, die nur von der anderen Seite ausgeschildert ist. Mein Rennradler kennt diese offenbar und ist kurz nachdem ich wieder aus dem dem Schotter heraus bin wieder hinter mir. Diesmal lasse ich ihm den Vortritt, als wir aber ein Gefälle hinunterrollen rausche ich vorbei. Tja, bergab und Gegenwind sind jeweils mein Vorteil.

Boots- und Fahrradtunnel unter Besançon
Boots- und Fahrradtunnel unter Besançon

Bis Besançon halte ich das Tempo hoch, dort – nach 95km – bin ich erfreut, einen Italiener am Weg zu finden. Eine ordentliche Portion Nudeln ist jetzt allemale angebracht. Mittlerweile brennt die Sonne bei 29°C und es gibt wenig Schatten. Auf dem folgenden Abschnitt nehme ich deutlich Tempo raus. Ich will mindestens bis Dole, eigentlich noch weiter.

15km vor Dole sehe ich ein Café mit Schattenplätzen, mache dort eine Pause und trinke etwas. Die Sonne wird heute trotz 50er Sonnencreme und Tuch auf dem Kopf zu viel. Ich buche eine Unterkunft in Dole, einen Sonnenstich möchte ich nicht riskieren.

Vielleicht ein Kilometer später ertönt ein seltsames Geräusch vom Hinterrad: pfft-pfft-pfft …ich werde langsamer, kurz bevor ich stoppe verstummt das Geräusch. Die Dichtmilch hat ihren Job getan, nach 3500km war es dann wohl doch ein Glassplitter zuviel. Ich habe noch genug Druck, um sicher weiter zu fahren und verschiebe die Lösung des Problems auf ein weniger sonniges Plätzchen.

In Dole geht es zum Decathlon. Mit der Standpumpe den Reifen auf Druck bringen. Aber bei hohen Drücken versagt die Dichtmilch gerne ihren Dienst. Der freundliche Englisch sprechende Mitarbeiter kennt sich mit Tubeless Reifen aus, freut sich über mein mitgeführtes Tubeless Pannenkit und demonstriert mir behende live, wie das mit den Plastikwürsten funktioniert. Der Reifen ist dicht, ich fülle noch Dichtmilch nach und mache mich auf den Weg.

Dole am Abend
Dole am Abend

Die Erfahrung sagt also: Dichtmilch bei Tubeless Hochdruck-Reifen ist problematisch. Positiv ist aber, dass ich nach der Panne problemlos fast 18km fahren konnte, ohne auf der Strecke irgendetwas dafür zu tun. Das Flicken hat dann auch funktioniert ohne das Rad ausbauen oder auch nur das Gepäck abmachen zu müssen, mit der kleinen Einschränkung dass beim Nachfüllen der Milch (Ventil rausdrehen, da ist der Reifen dann drucklos) die Sache mit helfenden Händen besser geht. Draussen hätte ich wohl das Gepäck abnehmen und das Rad gegen einen Zaun o.ä. gurten müssen.

Trotz alledem war ich früh genug im Hotel, konnte duschen und noch ein wenig durch die schöne Altstadt von Dole schlendern, bevor ich mich für ein Restaurant entschied.

Dole – Cluny

Am Morgen erwartete mich ein original französisches Frühstück: Ein Stück Baguette, ein Croissant, etwas Marmelade, etwas Butter. Wobei der Orangensaft, der Becher Joghurt und die Wahl, einen Tee zu bekommen, schon als Luxus durchgingen.

Landstrasse ohne Verkehr
Landstrasse ohne Verkehr

Nach dem Frühstück rollte ich hinunter zum Radweg. Ab Dole ist es nicht mehr weit, bis der Rhein-Rhone-Kanal in die Saône mündet. Gerade auf den letzten Kilometern und an der Saône gibt es leider auch einige Kilometer mit nicht so gutem Asphalt, in Anbetracht meiner gestrigen Reifenpanne hatte ich auf Split dann ab und zu Sorgen. Aber der Reifen hielt.

Nach dem Erreichen der Saône folge ich nur partiell der offiziellen Radwegführung, an einigen Stellen kürze ich ab. Die Wege sind hier, gemessen an der schönen Landschaft, die mich in den letzten Tagen begleitete relativ langweilig, häufig geht es auch auf wenig befahrenen Landstrassen weiter. Diese haben auch ein paar Hügel zu bieten. Ich bin ja eher ein Fan echter Anstiege, statt ständiger kleiner Hügel.

Bahnradweg bei Chalon sur Saône
Bahnradweg bei Chalon sur Saône

In Verdun sur le Doubs mache ich Pause und esse eine Quiche, das Café kenne ich von 2015 – und schon 2011 hatte ich sicherheitshalber nachgegooglet, ob dieses Verdun wirklich nicht das Verdun ist. Das Verdun liegt schließlich ganz woanders.

Hinter Verdun wird die Besiedlung dichter, bald ist Chalon erreicht. Ich habe eine Expressroute geplant, nicht schön, aber möglichst fix wieder raus. Doch plötzlich das bekannte Geräusch vom Hinterrad. Offenbar durch die Hitze war die Plastikwurst, die die das Loch verschlossen hielt, aufgeweicht und herausgedrückt worden. Diesmal hielt der Reifen noch genug Luft zum Schieben, aber nicht genug zum Fahren.

Ich wollte das Notwendige mit dem Nützlichen verbinden und vom nächsten Fahrradladen einen Schlauch einziehen lassen, während ich zu Mittag aß. Im Schatten. Leider bekam der Profi den Reifen nicht von der Felge – draußen in der Botanik wäre das ziemlich ärgerlich gewesen. Ich kannte das Problem so nicht, vermute aber einen Zusammenhang mit dem Kleber im Reifen. Ich schob das Rad dann weiter zum nächsten Decathlon, 2,5km entfernt. Dort bekam ich einen passenden Schlauch (einen hatte ich, aber ich wollte Ersatz behalten) und einen neuen Reifen, denn ich traute mich mit der Beschädigung nicht mehr auf die nächsten 2000km. Und ich hatte Zeit zum Essen, während das Rad gemacht wurde. Damit möchte ich meine Einlassung zu Tubeless auf Hochdruck-Reifen korrigieren: das ist definitiv nicht reif für Touren.

Cluny bei Nacht
Cluny bei Nacht

Später als gedacht ging es dann raus auf den Bahnradweg, die Voie Verte, von Chalon in Richtung Macon. Die Nachmittagssonne setzte mir zu, es ging leicht, fast unmerklich, bergan und das Mittagessen aus dem Einkaufszentrum erwies sich als wenig nachhaltig. So legte ich mein Tagesziel auf Cluny fest, der letzte Ort vor der Abbiegung ins Unbekannte, in die Berge und vor allem in eine Gegend mit weit weniger genügend grossen Orten für Übernachtungen.

Abends gönnte ich mir einen Rundgang durch die schöne Altstadt und aß in zwei Restaurants nacheinander. Offenbar fehlte einiges an Energie.

Cluny – Noirétable

Frühstück gab es erst um 08:30 Uhr, so kam ich – auch dank freundlicher Gesellschaft erst spät weg. Von der Unterkunft war ich nur noch ein kurzes Stück auf der Voie Verte unterwegs, dann bog ich ab auf unbekannte Wege.

Viadukt
Viadukt

Ab hier, das wusste ich aus der Planung, ging es ins französische Zentralmassiv. Weniger abstrakt: es wird bergig. Ging es zunächst verhalten hügelig los, so kam ich schon bald an die erste Stelle, wo ich auf ruhigeren Straßen plante. Ich war weg von LKW und auchden meisten PKW, die Strecke war kürzer. Aber mit mehr als 15% Steigung auf einspurigen Straßen hatte ich nicht so bald gerechnet. Langsam kroch ich Höhenmeter für Höhenmeter voran. Und auch die Abfahrt hatte es in sich, denn ich musste dauerhaft bremsen, konnte selten mehr als 50m voraus schauen, in den engen Kurven gab es Split.

Der Blick über die Landschaft ist hart erarbeitet
Der Blick über die Landschaft ist hart erarbeitet

Zum Glück führte mich die Route bald wieder auf größere Straßen, mit weniger Steigung und erträglichen Verkehr. Und ich machte noch eine Erfahrung: in diesem Teil Frankreichs sind die Orte etwas belebter, ein offenes Café oder zur Mittagszeit ein Restaurant mit Plat du Jour waren leicht zu finden.

Vor Roanne folgte ich dann größeren Straßen. Mehr Verkehr, aber es wird in der Regel vorsichtig und mit ausreichendem Abstand überholt. Die Existenz von Radfahrern auf Landstraßen wird hier als gegeben hingenommen, der Radfahrer nicht als Störfaktor für den Autoverkehr wahrgenommen. So bleiben verkehrsreiche Straßen zwar stressig, haben allerdings lange nicht den Adrenalinfaktor deutscher Verkehrswege.

Motivation am Wegesrand
Motivation am Wegesrand

Hinter Roanne ging es in der prallen Sonne schnurgerade ewig bergan. Irgendwann mir mehr Kurven, aber Abfahrten kamen nur kurz. Wo die Autobahn parallel lief war der Verkehr auch Recht ruhig. So kam ich nach Noirétable. Ich stellte fest, dass es mit Unterkünften hier dünn aussah und war heilfroh, am Ortsausgang ein Hotel zu finden (mit Abendessen und Frühstück). Denn hinter Noirétable folgt der nächste lange Anstieg (welch Aussicht für den nächsten Morgen!) und es gibt am Track lange Zeit keine größeren Orte.

Am Ende liegen 125km mit 2000 Höhenmetern hinter mir. Und viel wäre wohl auch nicht mehr gegangen.